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Result No. 1 / 1:
ID:39959
Type:U/Judgements
Cite:BVerfG Karlsruhe, Beschluss from 06/13/2007, Ref. 1 BvR 1550/03, WM 2007, 1360-1367.
Area:GCP/Verbraucherschutz allgemein z.Teil nicht FDL(jur.); BA/Kreditinstitute,insgesamt - Finanzkonzerne, Zentralbanken, Staatsbanken
Keywords:Kreditinstitute; Kreditwesengesetz; Datenbanken; Ermittlungsverfahren; Strafrecht; Grundgesetz; Datenschutz; Konten; Kundeninformationen; Kontoinhaber
Countries/Regions:04EUDE/Germany
Reference:1 BvR 1550/03
Court:BVerfG Karlsruhe
State:Beschluss
Date of judgment:06/13/2007
Found at:WM 2007, 1360-1367.
Norm:GG Art. l Abs. l, 2 Abs. l, 12 Abs. l, 19 Abs. 4
Basic principle:1. § 93 Abs. 8 AO verstößt gegen das Gebot der Normenklarheit, da er den Kreis der Behörden, die ein Ersuchen zum Abruf von Kontostammdaten stellen können, und die Aufgaben, denen solche Ersuchen dienen sollen, nicht hinreichend bestimmt festlegt.
2. § 24c Abs. 3 Satz l Nr. 2 KWG und § 93 Abs. 7 AO sind mit dem Grundgesetz vereinbar.
Fulltext:Gegenstand der Verfassungsbeschwerden unter anderem eines inländisches Kreditinstituts, eines Rechtsanwalts und Notars, einer Bezieherin von Wohngeld sowie eines Empfängers von Sozialhilfe sind im Wesentlichen § 24c Abs. 3 Satz l Nr. 2 Kreditwesengesetz sowie § 93 Abs. 7 und 8 Abgabenordnung. Diese Normen ermächtigen die für die Leistung der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen sowie die für die Strafverfolgung zuständigen Behörden und Gerichte, die Finanz -behörden und die Sozialbehörden zur automatisierten Abfrage von bestimmten Daten, die von den Kreditinstituten vorgehalten werden müssen. Dabei handelt es sich um die Kontostammdaten der Bankkunden und sonstigen Verfügungsberechtigten, wie z.B. Name, Geburtsdatum, Kontonummern und Depots. Kontenstände und -bewegungen können auf diese Weise nicht abgefragt werden. Informationen hierüber können sich die Behörden nur auf der Grundlage anderer Ermächtigungsnormen beschaffen.
Aus den Gründen
A. ...B. ...C.
Die Verfassungsbeschwerden sind, soweit zulässig, teilweise begründet. § 93 Abs. 8 AO ist mit dem Grundgesetz unvereinbar. Dagegen stehen § 24c Abs. l Satz 6 und Abs. 3 Satz l Nr. 2 KWG sowie § 93 Abs. 7, § 93b AO mit der Verfassung in Einklang.
I.
§ 93 Abs. 8 AO verletzt das durch Art. 2 Abs. l in Verbindung mit Art. l Abs. l GG gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht der Beschwerdeführer zu 2a und 2b [einer Wohngeldbezieherin und einem Sozialhilfeempfänger] in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Dagegen genügen die weiteren mit den Verfassungsbeschwerden angegriffenen Normen den verfassungsrechtlichen Anforderungen für Eingriffe in dieses Grundrecht.
1. Die angegriffenen Vorschriften ermächtigen zu Eingriffen in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.
a)... Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung flankiert und erweitert den grundrechtlichen Schutz von Verhaltensfreiheit und Privatheit, indem es ihn schon auf der Stufe der Persönlichkeitsgefährdung beginnen lässt. Eine derartige Gefährdungslage kann bereits im Vorfeld konkreter Bedrohungen benennbarer Rechtsgüter entstehen, so insbesondere wenn personenbezogene Informationen in einer Art und Weise genutzt und verknüpft werden, die der Betroffene weder überschauen noch beherrschen kann. Vor allem mittels elektronischer Datenverarbeitung können aus solchen Informationen weitere Informationen erzeugt und so Schlüsse gezogen werden, die sowohl die grundrechtlich geschützten Geheimhaltungsinteressen des Betroffenen beeinträchtigen als auch Eingriffe in seine Verhaltensfreiheit mit sich bringen können (vgl. BVerfGE 65, l = WM 1984, 98, 42; 113, 29, 45 f. = WM 2005, 1241; 115,320,342).
Der Schutzumfang des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung beschränkt sich nicht auf Informationen, die bereits ihrer Art nach sensibel sind und schon deshalb grundrechtlich geschützt werden. Auch der Umgang mit personenbezogenen Daten, die für sich genommenen nur geringen Informationsgehalt haben, kann, je nach seinem Ziel und den bestehenden Verarbeitungs- und Verknüpfungsmöglichkeiten, grundrechtserhebliche Auswirkungen auf die Privatheit und Verhaltensfreiheit des Betroffenen haben. Insofern gibt es unter den Bedingungen der elektronischen Datenverarbeitung kein schlechthin, also ungeachtet des Verwendungskontextes, belangloses personenbezogenes Datum (vgl. BVerfGE 65, l, 45 = WM 1984, 98; 115, 320, 350).
b) Die in den angegriffenen Normen geregelten Datenabrufe greifen in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein.
Diese Normen haben zum Ziel, vor allem den Straf-verfolgungs-, Finanz- und Sozialbehörden Kenntnis über das Bestehen von Konten und Depots, die der Betroffene bei inländischen Kreditinstituten unterhält, und Informationen über die entsprechenden Stammdaten zu verschaffen. Einblicke in die Kontoinhalte und -bewegungen erlauben die Informationen über Kontostammdaten zwar nicht. Stellt sich aber heraus, dass der Betroffene über bislang unbekannte Konten und Depots verfügt, kann die jeweils handelnde Behörde gegebenenfalls auf der Grundlage anderer Ermächtigungsnormen Informationen über deren Inhalt erheben. Das in den angegriffenen Normen vorgesehene Verfahren ermöglicht den Abruf von Daten, die den Zugriff auf solche weiteren Informationen ermöglichen.
Die im Anschluss an die Ermittlung der Kontostammdaten erhebbaren Informationen über Kontoinhalte können für den Persönlichkeitsschutz des Betroffenen bedeutsam sein. Nach den gegenwärtigen Gepflogenheiten werden die meisten Zahlungsvorgänge, die über Bargeschäfte des täglichen Lebens hinausgehen, über Konten abgewickelt. Werden Informationen über die Inhalte der Konten einer bestimmten Person gezielt zusammengetragen, ermöglicht dies einen Einblick in die Vermögensverhältnisse und die sozialen Kontakte des Betroffenen, soweit diese - etwa durch Mitgliedsbeiträge oder Unterhaltsleistungen - eine finanzielle Dimension aufweisen. Manche Konteninhaltsdaten, etwa die Höhe von Zahlungen im Rahmen Verbrauchs abhängiger Dauerschuldverhältnisse, können auch weitere Rückschlüsse auf das Verhalten des Betroffenen ermöglichen.
Die auf der Grundlage der hier angegriffenen Normen erfolgenden behördlichen Ermittlungen über Kontostammdaten können anschließende Maßnahmen vorbereiten, die ohne die erlangten Kenntnisse nicht möglich wären und die die Belange der Betroffenen erheblich berühren können. Kontenabrufe nach § 24c Abs. 3 Satz l Nr. 2 KWG dienen der Strafverfolgung und können damit Grundrechtseingriffe von großem Gewicht nach sich ziehen. Gleiches gilt im Ansatz für § 93 Abs. 7 AO, der auf die Richtigkeit der Festsetzung und Erhebung von Steuern abzielt und für § 93 Abs. 8 AO, der insbesondere die Überprüfung der Ordnungsgemäßheit der Erhebung von Sozialabgaben und der Gewährung von Sozialleistungen ermöglichen soll.
2. Dem für Nonnen zur Ermächtigung von Grundrechtseingriffen maßgebenden Gebot der Normenklarheit und -bestimmtheit wird die Befugnis aus § 93 Abs. 8 AO zur Erhebung von Kontostammdaten in sozialrechtlichen Angelegenheiten nicht gerecht; demgegenüber genügen § 24c Abs. 3 Satz l Nr. 2 KWG und § 93 Abs. 7 AO diesem Gebot.
a) Das Bestimmtheitsgebot findet im Hinblick auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung seine Grundlage in Art. 2 Abs. l in Verbindung mit Art. l Abs. l GG selbst (vgl. BVerfGE 65, l, 46 ff., 54 = WM 1984, 98). Es soll sicherstellen, dass die gesetzesausführende Verwaltung für ihr Verhalten steuernde und begrenzende Handlungsmaßstäbe vorfindet und dass die Gerichte die Rechtskontrolle durchführen können; ferner erlauben die Bestimmtheit und Klarheit der Norm, dass der betroffene Bürger sich auf mögliche belastende Maßnahmen einstellen kann (vgl. BVerfGE 110, 33, 52 ff.; 113, 348, 375 ff.). Der Anlass, der Zweck und die Grenzen des Eingriffs müssen in der Ermächtigung grundsätzlich bereichsspezifisch, präzise und normenklar festgelegt werden (vgl. BVerfGE 100, 313, 359 f., 372 = WM 1999, 657; 110, 33, 53; 113, 348, 375).
aa) Die Anforderungen an die Bestimmtheit und Klarheit der Norm dienen insbesondere auch dazu, die Verwaltung zu binden und ihr Verhalten nach Inhalt, Zweck und Ausmaß zu begrenzen (vgl. BVerfGE 56, l, 12; HO, 33, 54). Dies setzt voraus, dass hinreichend klare Maßstäbe bereitgestellt werden. Die Entscheidung über die Grenzen der Freiheit des Bürgers darf nicht einseitig in das Ermessen der Verwaltung gestellt sein (vgl. BVerfGE 78, 214, 226 = WM 1989, 464). Dem Gesetz kommt im Hinblick auf den Handlungsspielraum der Exekutive eine begrenzende Funktion zu, die rechtmäßiges Handeln des Staates sichern und dadurch auch die Freiheit der Bürger schützen soll (vgl. BVerfGE 113, 348, 376). Darüber hinaus sollen die Normenbestimmtheit und die Normenklarheit die Gerichte in die Lage versetzen, die Verwaltung anhand rechtlicher Maßstäbe zu kontrollieren (vgl. BVerfGE HO, 33, 54 f.; 113, 348, 376 f.).
bb) Ermächtigt eine gesetzliche Regelung zu einem Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, so hat das Gebot der Bestimmtheit und Klarheit die spezifische Funktion, eine hinreichend präzise Umgrenzung des Verwendungszwecks der betroffenen Informationen sicherzustellen. Auf diese Weise wird das verfassungsrechtliche Gebot der Zweckbindung der erhobenen Information verstärkt.
Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung schützt den Einzelnen gegen informationsbezogene Maßnahmen, die für ihn weder überschaubar noch beherrschbar sind. Solche Gefährdungen drohen insbesondere dann in hohem Maße, wenn Informationsbestände für eine Vielzahl von Zwecken genutzt oder miteinander verknüpft werden können. Daher wäre eine Sammlung der dem Grundrechtsschutz unterliegenden personenbezogenen Informationen auf Vorrat zu unbestimmten oder noch nicht bestimmbaren Zwecken mit dem Grundgesetz nicht vereinbar (vgl. BVerfGE 65, l, 46 = WM 1984, 98; 115, 320, 350). Der Gesetzgeber hat vielmehr den Zweck einer Informationserhebung bereichsspezifisch und präzise zu bestimmen. Die Informationserhebung und -Verwendung ist auf das zu diesem Zweck Erforderliche zu begrenzen (vgl. BVerfGE 65, l,46 = WM1984,98; 84, 239,279 f.=WM 1991,1199; 113, 29, 57 f. = WM 2005, 1241).
Zu den Bestimmtheitsanforderungen gehört es, den Erhebungszweck in einer dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung genügenden Weise festzulegen. Mindestvoraussetzung dafür ist die Angabe im Gesetz, welche staatliche Stelle zur Erfüllung welcher Aufgaben zu der geregelten Informationserhebung berechtigt sein soll. Ein bloßer Verweis auf die Zuständigkeitsordnung insgesamt genügt dem Gebot der Normenklarheit und Bestimmtheit nicht (vgl. auch BVerfG, 1. Kammer des Ersten Senats, Beschluss vom 23. Februar 2007 - l BvR 2368/06 -, S. 17 des Umdrucks). Fehlt es schon an einer Bestimmung der zu der Maßnahme berechtigten Stellen, können die weiteren verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Zulässigkeit einer Weitergabe der Daten an andere Stellen erst recht nicht erfüllt werden.
cc) Der Gesetzgeber findet je nach der zu erfüllenden Aufgabe unterschiedliche Möglichkeiten zur Regelung
der Eingriffsvoraussetzungen vor. Die Anforderungen des Bestimmtheitsgrandsatzes richten sich auch nach diesen Regelungsmöglichkeiten (vgl. BVerfGE 110, 33, 55 f.).
Insbesondere verbietet das Bestimmtheitsgebot nicht von vornherein die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe. Bei manchen, insbesondere vielgestaltigen Sachverhalten ist eine solche Regelungstechnik grundsätzlich verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. BVerfGE 49, 89, 133 = WM 1979, 243; 79, 174, 195). Zu fordern ist jedoch, dass sich unbestimmte Rechtsbegriffe durch eine Auslegung der betreffenden Normen nach den Regeln der juristischen Methodik hinreichend konkretisieren lassen und verbleibende Ungewissheiten nicht so weit gehen, dass die Vorhersehbarkeit und Justitiabilität des Handelns der durch die Normen ermächtigten staatlichen Stellen gefährdet sind (vgl. BVerfGE 21, 73, 79 f.; 31, 255, 264; 83, 130, 145; 102, 254, 337 = WM 2000, 2494; 110, 33, 56 f.).
b) Nach diesen Maßstäben ist § 93 Abs. 8 AO nicht hinreichend bestimmt.
Der Anwendungsbereich dieser Norm ist eröffnet, wenn ein Gesetz, zu dessen Vollzug ein Kontenabruf dienen soll, an Begriffe des Einkommensteuergesetzes anknüpft. Auf diese Weise werden der Kreis der Behörden, die zu Abrufersuchen berechtigt sein sollen, und die Aufgaben, denen solche Ersuchen dienen sollen, nicht präzise genug festgelegt.
Sollte der Wortlaut von § 93 Abs. 8 AO weit zu verstehen sein, so genügte jede begriffliche Übereinstimmung zwischen dem anzuwendenden Gesetz und dem Einkommensteuergesetz, damit ein Kontoabruf in Betracht käme. In der Folge wäre der Anwendungsbereich der Norm praktisch unübersehbar, da das Einkommensteuergesetz zahlreiche Begriffe enthält, die keinen besonderen steuerrechtlichen Bezug aufweisen und sich auch in einer Vielzahl anderer Gesetze mit völlig unterschiedlichen Regelungsgegenständen finden (vgl. Göres, NJW 2005, 253, 255).
Zwar mag es näher liegen, § 93 Abs. 8 AO einengend in der Weise auszulegen, dass ein Gesetz nur dann unter diese Vorschrift fällt, wenn es spezifisch einkommensteuerrechtliche Begriffe in Bezug nimmt. Als solche mögen die in der Gesetzesbegründung beispielhaft genannten Begriffe „Einkünfte", „Einkommen" und „zu versteuerndes Einkommen" anzusehen sein (vgl. BT-Drucks. 15/1309, S. 12). Selbst durch eine solche einengende Auslegung lässt sich jedoch der Norm weder eine gegenständliche Begrenzung des Anwendungsbereichs noch ein bereichsspezifischer Zweck der jeweiligen Datenerhebung entnehmen. Auch an spezifisch einkommensteuerrechtliche Begriffe können Gesetze aus den unterschiedlichsten Regelungsgebieten anknüpfen, etwa Normen aus nahezu dem gesamten Bereich der Leistungsverwaltung. Damit wird in § 93 Abs. 8 AO das Instrument des automatisierten Abrufs von Kontostammdaten selbst bei enger Auslegung für eine unübersehbare Vielzahl von Gesetzeszwecken zur Verfügung gestellt. Dies genügt nicht den verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsanforderungen.
Zudem würde eine einengende Interpretation von § 93 Abs. 8 AO zu erheblichen Anwendungsschwierigkeiten führen. Der Anwendungsbereich des Instruments der Kontenabfrage ließe sich nur durch einen wertenden begrifflichen Vergleich des jeweils in Bezug genommenen Gesetzes mit dem Einkommensteuergesetz ermitteln, für den § 93 Abs. 8 AO keine weiteren rechtlichen Maßstäbe bereitstellt. Ob ein Gesetz sich hinreichend eng an spezifisch einkommensteuerrecht-
liehe Gehalte anlehnte, ließe sich kaum angeben, wenn dieses Gesetz - wie in der Praxis häufig - zwar einen Begriff des Einkommensteuergesetzes benutzt, diesen aber im Rahmen seines eigenen Regelungszusammenhangs modifiziert.
So kommt es für die Berechtigung zu Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch zwar auf das Einkommen des Betroffenen an. Jedoch definiert § 11 Abs. l SGB II das Einkommen abweichend vom Einkommensteuergesetz. Andererseits nimmt § 11 Abs. 2 Nr. 4 SGB II das Einkommensteuergesetz ausdrücklich in Bezug. Ferner werden in § 12 SGB II die einkommensteuerrechtlichen Begriffe des Vermögens, des Verkehrswerts und der Bewertung verwendet. Dementsprechend wird in der Literatur vertreten, Datenabrufe nach § 93 Abs. 8 AO kämen auch für Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende in Betracht (so Kühling, ZRP 2005, 196, 198; Wenner, SozSich 2005, 102, 106). Nach Nr. 3.2 AE AO werden dagegen diese Leistungen nicht von § 93 Abs. 8 AO erfasst.
Es ist nicht ersichtlich, dass die unbestimmte Fassung des § 93 Abs. 8 AO besonderen Regelungsschwierigkeiten geschuldet wäre. Die in den vorliegenden Verfahren abgegebenen Stellungnahmen gehen übereinstimmend davon aus, dass mit der Norm insbesondere der Missbrauch von Sozialleistungen und die Nichtabführung von Sozialabgaben bekämpft werden sollen. Dementsprechend beziehen sich die Verfassungsbeschwerden auch ausdrücklich nur auf Bereiche des Sozialrechts. Die auf solche Bereiche bezogenen behördlichen Ermittlungen lassen sich nach Anlass und Gegenstand typisieren und auf bestimmte normative Zusammenhänge zuschneiden. So wäre es ohne weiteres möglich gewesen, die Gesetze, zu deren Vollzug ein Kontenabruf zulässig sein soll, in § 93 Abs. 8 AO enumerativ aufzuzählen (vgl. Kühling, ZRP 2005, 196, 198 f.( Fehling, DStZ2006,101,108). Dies zeigt auch die Aufzählung in Nr. 3.2 AEAO. Der von der Verwaltung grundsätzlich jederzeit änderbare Anwendungserlass kann allerdings den Bestimmtheitsmangel der gesetzlichen Vorschrift nicht beheben.
c) Dagegen wahren § 24c Abs. 3 Satz l Nr. 2 KWG und § 93 Abs. 7 AO das Gebot der Normenklarheit und Bestimmtheit.
aa) § 24c Abs. 3 Satz l Nr. 2 KWG ermächtigt die für die Leistung der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen sowie im Übrigen für die Verfolgung und Ahndung von Straftaten zuständigen Behörden und Gerichte dazu, Abruf ersuchen zu stellen. Die Norm regelt damit hinreichend deutlich, welchen Behörden zu welchen Aufgaben das Instrument des automatisierten Abrufs von Kontostammdaten zur Verfügung stehen soll. Durch das weitere Erfordernis, dass der Abruf für die Erfüllung der (anderweitig geregelten) gesetzlichen Aufgaben der Behörde erforderlich sein muss, werden auch der Abrufanlass und Abrufgegenstand umschrieben. § 24c Abs. 3 Satz l Nr. 2 KWG verweist auf diese Weise insbesondere auf die für die genannten Behörden bestehenden Aufgaben und Befugnisse und das für sie geltende Verfahrensrecht. Ein Kontenabruf nach dieser Vorschrift kommt danach nur im Rahmen eines konkreten, die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllenden Ermittlungs- oder Rechtshilfeverfahrens in Betracht (so bereits die Gesetzesbegründung, vgl. BT-Drucks. 14/8017, S. 123; vgl. daneben Müller, DuD 2002, 601, 603; Kokemoor, BKR 2004, 135, 141).
Weitergehende Anforderungen an die Zweckbestimmung, an denen § 24c Abs. 3 Satz l Nr. 2 KWG zu messen wäre, bestehen nicht. Insbesondere ist der Gesetzgeber nicht gehalten, informationsbezogene Maßnahmen der Strafverfolgungsbehörden und der Strafgerichte ausschließlich in der Strafprozessordnung zu regeln. Auch ist die rechtspolitische Stimmigkeit der in § 24c Abs. 2 und Abs. 3 KWG geregelten Maßnahmen im Verhältnis zueinander nicht Gegenstand der Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht. Anderes mag für ein in sich widersprüchliches Gesetz gelten (vgl. BVerfGE l, 14, 45). Für eine derartige Widersprüchlichkeit ist hier jedoch nichts ersichtlich.
bb) Auch § 93 Abs. 7 AO regelt die Voraussetzungen für einen Datenabruf hinreichend klar und bestimmt. Nach dieser Norm kann die Finanzbehörde einzelne Daten aus der nach § 93 b Abs. l AO zu führenden Datei abrufen, wenn dies zur Festsetzung oder Erhebung von Steuern erforderlich ist. § 93b Abs. l AO verweist wegen der Dateiführung selbst auf § 24c Abs. l KWG.
Ein Bestimmtheitsmangel ergibt sich nicht aus der in § 93 Abs. 7 AO angelegten Verweisungskette. Zwar kann eine Regelungsstruktur, die durch zahlreiche Verweisungen und Weiterverweisungen gekennzeichnet ist, das Gebot der Normenklarheit verletzen, wenn diese Struktur ein hohes Fehlerrisiko bei der Rechtsanwendung erzeugt (vgl. BVerfGE 110, 33, 61 ff.). Die Verweisung von § 93 Abs. 7 AO auf § 93b Abs. l AO und die Weiterverweisung auf § 24c KWG sind jedoch leicht nachzuvollziehen. Anhaltspunkte dafür, dass aufgrund der Verweisungen die Gefahr von Normanwendungsfehlern in besonderem Maße stiege, sind nicht ersichtlich.
Aus dem in Bezug genommenen § 24c Abs. l KWG ergibt sich, welche Informationen nach § 93 Abs. 7 AO erhoben werden dürfen. § 93 Abs. 7 AO benennt die zur Informationserhebung berechtigte Behörde. Durch den Verweis auf die Festsetzung und Erhebung von Steuern wird der sachliche Anwendungsbereich der Norm bestimmt. Zugleich werden die im Steuerrecht geltenden Regeln einschließlich der dafür maßgebenden Bestimmtheitsanforderungen in Bezug genommen.
§ 93 Abs. 7 AO benennt schließlich auch die tatbestandlichen Voraussetzungen des Kontenabrufs hinreichend präzise. Aus der Verwendung des Begriffs der Erforderlichkeit ergibt sich kein Bestimmtheitsmangel. Dieser Begriff hat für den Bereich der Steuerermittlung durch die Rechtsprechung zu § 93 Abs. l AO, wo er für die Begrenzung der steuerrechtlichen Auskunftspflicht verwendet wird, deutliche Konturen erhalten. Auskunftsverlangen im Rahmen einer Rasterfahndung oder im Zuge von Ermittlungen „ins Blaue hinein" sind danach unzulässig. Ein Anlass für steuerbehördliche Ermittlungen besteht nach der Auffassung der Fachgerichte erst dann, wenn ein begründeter Verdacht dafür vorliegt, dass steuerrechtliche Unregelmäßigkeiten vorliegen. Es genügt, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte oder aufgrund allgemeiner Erfahrungen ein Auskunftsersuchen angezeigt ist (vgl. etwa BFHE 148, 108, 111 ff.; 149, 404, 405 ff.; 198, 42, 47 f.; stRspr). Diese Rechtsprechung, die sich im Ansatz auf das besondere Ermittlungsinstrument des § 93 Abs. 7 AO übertragen lässt (vgl. Schuster, in: Hübschmann/Hepp/ Spitaler, AO, § 93 Rdn. 102), begegnet unter Bestimmtheitsgesichtspunkten keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. auch BVerfG, 1. Kammer des Ersten Senats, Beschluss vom 6. April 1989 - l BvR 33/87 -, WM 1989, 1623 = NJW 1990, 701 f.).
3. Die in § 24c Abs. 3 Satz l Nr. 2 KWG und § 93 Abs. 7 AO enthaltenen Eingriffsermächtigungen genügen auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Gleiches
gilt für die in zulässiger Weise von den Beschwerdeführern zu 2a und 2b angegriffene Norm des § 93 Abs. 8 AO, wenn die Unbestimmtheit dieser Vorschrift hinsichtlich der zu Abrufersuchen berechtigten Stellen und hinsichtlich der Zweckbestimmung der übermittelten Daten in verfassungsgemäßer Weise behoben wird, etwa dadurch, dass der Prüfung die enumerative Aufzählung von Abruf z wecken in Nr. 3.2 AEAO zugrunde gelegt wird.
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt, dass ein Grundrechtseingriff einem legitimen Zweck dient und als Mittel zu diesem Zweck geeignet, erforderlich und angemessen ist (vgl. BVerfGE 109, 279, 335 ff.; 115, 320, 345; stRspr). Diesen Erfordernissen ist Genüge getan.
a) Die angegriffenen Normen dienen der Strafverfolgung, der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen und der gleichmäßigen Festsetzung und Erhebung von Steuern sowie - soweit vorliegend von Bedeutung - der Erhebung von Sozialabgaben und der Überprüfung der Leistungsberechtigung bei Sozialleistungen. Dabei handelt es sich um legitime Zwecke.
b) Der automatisierte Abruf von Kontostammdaten ist geeignet, diese Zwecke zu erreichen.
In strafrechtlichen Ermittlungsverfahren ist die Kenntnis des Bestehens von Konten einer Person bei deutschen Kreditinstituten in erster Linie von Bedeutung, wenn die Vermögensverhältnisse oder finanziellen Transaktionen dieser Person für die Strafbarkeit des Beschuldigten relevant sind. Zumeist geht es dabei um die Vermögensverhältnisse oder Verfügungen des Beschuldigten selbst. Ergibt ein Kontenabruf, dass die Zielperson über Konten verfügt, die den Strafverfolgungsbehörden bislang unbekannt waren, werden in der Regel weitere Ermittlungen erfolgen und gegebenenfalls Nachfragen beim Beschuldigten oder Auskunftsersuchen an die kontoführenden Kreditinstitute über die Konteninhalte ergehen.
Im Rahmen finanzbehördlicher Verfahren kann die Erhebung der Kontostammdaten eines Steuerpflichtigen gleichfalls den Anlass bieten, weitere Maßnahmen zur Ermittlung seines Vermögensstands zu treffen und etwa Angaben über seine Einkünfte und Vermögensverhältnisse zu überprüfen. Daneben kann der Abruf der Kontostammdaten dazu dienen, Auskünfte über Vermögenswerte eines Steuerpflichtigen zu erlangen, in die wegen ausstehender Steuerforderungen vollstreckt werden kann.
Für sozialbehördliche Ermittlungen können Abrufe von Kontostammdaten bezwecken, die Angaben eines Antragstellers über seine Vermögensverhältnisse und damit seine Leistungsberechtigung zu überprüfen. Hinsichtlich der Erhebung von Sozialabgaben entsprechen die Ermittlungsziele, denen ein Stammdatenabruf dienen kann, weitgehend denen im Steuerrecht.
c) Das Mittel des automatisierten Stammdatenabrufs ist erforderlich, um die Gesetzeszwecke zu erreichen. Ein ebenso wirksamer, aber den Betroffenen weniger belastender Weg, bei Verweigerung seiner Mitwirkung an einer hinreichenden Aufklärung einen für die Strafverfolgung oder Steuererhebung oder sozialbehördliche Überprüfung erforderlichen Überblick über seinen Kontenbestand zu erlangen, ist nicht ersichtlich.
Insbesondere sind manuelle Einzelanfragen statt des automatisierten Datenabrufs schon wegen der großen Zahl der Kreditinstitute in der Bundesrepublik und wegen der möglicherweise hohen Zahl der Abfragen kein praktikables alternatives Mittel. Im Übrigen bestehen erhebliche Zweifel, ob solche Einzelanfragen überhaupt
ein milderes Mittel im Vergleich zu dem automatisierten Verfahren wären. Aufgrund einer derartigen Anfrage erführe jedes deutsche Kreditinstitut von den straf-, Steuer- oder sozialrechtlichen Ermittlungen. Dies könnte Folgen haben, die den Betroffenen über die staatliche Kenntnisnahme seiner Konten hinaus erheblich belasteten. Dagegen ist im Rahmen des automatisierten Verfahrens eine Kenntnisnahme durch die Kreditinstitute nach § 24c Abs. l Satz 6 KWG auszuschließen.
d) Die Ermächtigungen zum automatisierten Stammdatenabruf wahren auch das Gebot der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne.
aa) Dieses Gebot verlangt, dass die Schwere des Eingriffs bei einer Gesamtabwägung nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe stehen darf (vgl. BVerfGE 90, 145, 173; 109, 279, 349 ff.; 113, 348, 382; stRspr). Der Gesetzgeber hat das Individualinteresse, das durch einen Grundrechtseingriff beschnitten wird, den Allgemeininteressen, denen der Eingriff dient, angemessen zuzuordnen. Die Prüfung an diesem Maßstab kann dazu führen, dass ein an sich geeignetes und erforderliches Mittel zur Durchsetzung von Allgemeininteressen nicht angewandt werden darf, weil die davon ausgehenden Grundrechtsbeeinträchtigungen schwerer wiegen als die durchzusetzenden Interessen (vgl. BVerfGE 115, 320, 345 f.). Ist das Gewicht der Grundrechtsbeeinträchtigung jedoch geringer, kann sie mit Rücksicht auf wichtige Ziele des Gesetzes eher als verhältnismäßig hinzunehmen sein.
bb) Die zu prüfenden Normen dienen Gemeinwohlbelangen von erheblicher Bedeutung.
Das gilt zunächst für § 24c Abs. 3 Satz l Nr. 2 KWG, der eine wirksame Strafverfolgung und Rechtshilfe in Strafsachen zum Ziel hat. Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt die unabweisbaren Bedürfnisse einer wirksamen Strafverfolgung und Verbrechensbekämpfung hervorgehoben und das öffentliche Interesse an einer möglichst vollständigen Wahrheitsermittlung im Strafverfahren - zur Überführung von Straftätern ebenso wie zur Entlastung Unschuldiger - betont (vgl. BVerfGE 77, 65, 76; 80, 367, 375; 100, 313, 389 = WM 1999, 657; 107, 299, 316; 109, 279, 336; 113, 29, 54 = WM 2005, 1241). Auch die Belange der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen haben in einem auf Gegenseitigkeit beruhenden System der Kriminalitätsbekämpfung (vgl. dazu das Protokoll zu dem Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union vom 16. Oktober 2001, AblEG C 326 vom
21. November 2001, und das Zustimmungsgesetz vom
22. Juli 2005, BGB1. II, S. 661) eine erhebliche Bedeutung für die Allgemeinheit.
Die steuerliche Belastungsgleichheit, der § 93 Abs. 7 AO dient, ist gleichfalls ein Allgemeingut von herausgehobener Bedeutung. Zudem wird sie durch Art. 3 Abs. l GG auch grundrechtlich gewährleistet. Wird die Gleichheit im Belastungserfolg durch die rechtliche Gestaltung des Erhebungsverfahrens prinzipiell verfehlt, kann dies die Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Besteuerungsgrundlage nach sich ziehen. Der Gesetzgeber muss daher das materielle Steuergesetz in ein verfahrensrechtliches Umfeld einbetten, das grundsätzlich geeignet ist, die tatsächliche Lastengleichheit der Steuerpflichtigen zu gewährleisten (vgl. BVerfGE 84, 239, 268 ff. = WM 1991, 1199; 110, 94, 112 ff. = WM 2004, 571).
Schließlich haben auch die Ziele von § 93 Abs. 8 AO erhebliches Gewicht, wenn der Anwendungsbereich dieser Norm auf die Verfolgung bedeutsamer Gemeinwohlbelange begrenzt wird, nämlich auf die Sicherung
der Erhebung von Sozialabgaben und die Bekämpfung des Missbrauchs von Sozialleistungen.
cc) Die angegriffenen Normen ermächtigen zu Eingriffen in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, die nicht außer Verhältnis zu den verfolgten Gemeinwohlbelangen stehen.
(1) Die angegriffenen Nonnen sehen Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung zum Zweck behördlicher Ermittlungen vor, die sich gezielt gegen eine bestimmte Person richten. Die rechtliche Bewertung des Eingriffs richtet sich für solche Regelungen nach der Intensität der Beeinträchtigung des Betroffenen...
(2) Aus dem Gehalt der Informationen, die nach den angegriffenen Nonnen abgerufen werden können - den bloßen Kontostammdaten -, ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine gesteigerte Intensität des Grundrechtseingriffs durch einen solchen Abruf.
Diese Informationen haben bei isolierter Betrachtung keine besondere Persönlichkeitsrelevanz. Ein Abruf von Kontostammdaten verschafft der zuständigen Behörde zunächst nur Auskunft darüber, ob und welche Konten eine namentlich bekannte Person bei deutschen Kreditinstituten als Inhaberin, Verfügungsberechtigte oder wirtschaftlich Berechtigte unterhält. Über die Kontoinhalte erfährt die Behörde auf diese Weise nichts. Die erlangte Information hat für sich genommen noch kein besonderes Gewicht für Privatheit oder Entscheidungsfreiheit des Betroffenen. Der abrufenden Behörde wird allerdings ermöglicht, ein Bild über das Bestehen wirtschaftlicher Kontakte des Betroffenen mit deutschen Kreditinstituten zu erlangen. Inhaltliche Informationen über Art und Umfang dieser Kontakte erhält sie dagegen nicht.
Aus dem Ergebnis des Abrufs der Kontostammdaten lässt sich je nach der Kontoführungspraxis der Kreditinstitute gegebenenfalls ersehen, um welche Art eines Kontos es sich handelt. Es ist allerdings in keinem Fall erkennbar, ob der Kontostand positiv oder negativ ist. Daher sind allenfalls Vermutungen über den Vermögensstand des Betroffenen möglich. Zur Aufklärung des Sachverhalts bedarf es weiterer Ermittlungsmaßnahmen. Für sie müssen Ermächtigungsgrandlagen bestehen, die einer selbstständigen verfassungsrechtlichen Rechtfertigung bedürfen, wobei sich deren Anforderungen nach der meist deutlich erhöhten Intensität des Grundrechtseingriffs durch solche weiteren Ermittlungsmaßnahmen richten. Diese Ermächtigungen sind jedoch nicht Gegenstand der vorliegenden Verfassungsbeschwerden.
(3) Die Nachteile, die dem von einem Stammdatenabruf Betroffenen infolge des Abrufs drohen, führen angesichts der verfolgten Ziele nicht zur Unangemessenheit der angegriffenen Ermächtigungen.
Zwar kann der Kontenabruf das Risiko weiterer Ermittlungsmaßnahmen - etwa im Rahmen der Strafverfolgung oder der Besteuerung, der Erhebung von Sozialabgaben und der Rückforderung von sozialrechtlichen Leistungen nach Überprüfung der Leistungsberechtigung - begründen. So kann es zum Beispiel erforderlich werden, die Inhalte oder Bewegungen der ermittelten Konten durch Nachfrage beim Betroffenen oder durch Recherchen bei den Kreditinstituten, die die durch den Kontenabruf bekannt gewordenen Konten führen, zu erheben. Die mit der Kenntnis der Kontostammdaten verbundene Konkretisierung des Risikos, staatlichen Ermittlungen ausgesetzt zu sein, stellt aber angesichts der verfolgten Gemeinwohlbelange keine unangemessene Belastung dar. Nicht in die Prüfung einzubeziehen sind
die etwa folgenden weiteren Erhebungen selbst. Diese sind selbstständig zu wertende Grundrechtseingriffe, die einer eigenständigen, hier nicht angegriffenen Ermächtigungsgrundlage bedürfen.
(4) Eine Unangemessenheit der angegriffenen Regelung ergibt sich auch nicht insoweit, als Rechtsschutzmöglichkeiten infolge der Heimlichkeit des Abrufs begrenzt sind. Der Bank gegenüber erfolgt die Geheimhaltung im Interesse des Persönlichkeitsschutzes des Betroffenen. Gegenüber dem Kontoinhaber kann die Geheimhaltung belastend wirken. Wird die Ermittlung ihm gegenüber geheim gehalten, erhöht dies die Intensität des Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, da der Betroffene auf die Kontenabrufe und die mit ihnen verbundenen möglichen Folgen nicht reagieren kann, solange er von der Maßnahme nichts erfährt...
(5) Die Gestaltung der Einschreitschwellen in den angegriffenen Normen wahrt ebenfalls den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die angegriffenen Vorschriften ermächtigen insbesondere nicht zu anlasslosen Routineabrufen.
§ 24c Abs. 3 Satz l Nr. 2 KWG verweist auf die gesetzlichen Aufgaben der für die Strafverfolgung und Rechtshilfe in Strafsachen zuständigen Stellen. Die Norm erlaubt daher Kontenabrufe nur im Rahmen von konkreten Ermittlungs- oder Rechtshilfeverfahren, die einen Anfangsverdacht einer Straftat oder ein Rechtshilfeersuchen voraussetzen. § 93 Abs. 7 AO erlaubt Kontenabrufe nur, wenn sie zur Festsetzung oder Erhebung von Steuern erforderlich sind. Routinemäßige Abrufe „ins Blaue hinein" sind danach unzulässig (vgl. oben unter C I 2 c bb). § 93 Abs. 8 AO setzt allerdings nur die Versicherung der ersuchenden Stelle voraus, dass eigene Ermittlungen nicht zum Ziel geführt haben oder keinen Erfolg versprechen. Diese Versicherung belässt die Verantwortung für die Einhaltung des Gebots der Erforderlichkeit bei der ersuchenden Stelle; die materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Erforderlichkeit werden dadurch jedoch nicht abgemildert. Die ersuchende Behörde hat im Übrigen das für sie geltende Verfahrensrecht und die darin enthaltenen Vorgaben für einen Anlass von Ermittlungen zu beachten. Die Erhebung von Sozialdaten ist nach § 67a Abs. l Satz l SGB X nur nach Maßgabe des Erforderlichen zulässig. Routinemäßige oder anlasslose Ermittlungen sind im Sozialrecht verfassungsrechtlich ebenso wenig zu rechtfertigen wie im Bereich des Steuerrechts.
Die Automatisierung des Abrufverfahrens kann allerdings das Risiko zahlloser und, wenn sie ohne hinreichende Verdachtsmomente erfolgen, rechtswidriger Routineabrufe begründen. Um dies auszuschließen, sind die in den angegriffenen Normen enthaltenen Sicherungen so auszulegen und anzuwenden, dass ein derartiger routinemäßiger, anlassloser Einsatz der Abfragen verhindert wird und Möglichkeiten bestehen, dass Missbräuche im Nachhinein aufgedeckt werden können. Dem dient es, dass nach § 24c Abs. 4 KWG -für die Abrufbefugnisse des § 93 AO in Verbindung mit § 93b Abs. 4 AO - Kontenabrufe zu protokollieren sind, um eine effektive Datenschutzkontrolle zu gewährleisten. Im Übrigen sind die einschlägigen Normen, insbesondere das für die jeweils handelnde Behörde geltende Verfahrensrecht, dahingehend auszulegen und anzuwenden, dass dem von einem Kontenabruf Betroffenen Wege eröffnet sind, entsprechende Informationen zu erhalten, um gegebenenfalls Gegenwehr zu ermöglichen. In diesem Sinne sind die Normen, nach denen sich die Auskunftserteilung an den Betroffenen richtet ..., auszulegen.
(6) Weitergehende formelle oder materielle Begrenzungen des Einsatzes der Stammdatenabfrage sind von Verfassungs wegen nicht geboten...
II.
Die angegriffenen Normen verstoßen unter den von der Beschwerdeführerin zu l a [einem inländischen Kreditinstitut] geltend gemachten Gesichtspunkten nicht gegen ihre Grundrechte.
1. Nicht zu prüfen ist, inwieweit die aus § 24c Abs. l KWG, zum Teil in Verbindung mit § 93b Abs. l AO, folgende Verpflichtung der Beschwerdeführerin, eine Stammdatendatei für behördliche Abrufe zu führen, mit ihrer Berufsfreiheit zu vereinbaren ist. In dieser Verpflichtung liegt zwar ein Eingriff in das Grundrecht der Beschwerdeführerin aus Art. 12 Abs. l in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG. Die Beschwerdeführerin wendet sich jedoch ausdrücklich nicht gegen ihre Inpflichtnahme als solche, sondern allein dagegen, dass die Stammdaten auch für Abrufe nach den angegriffenen Normen zur Verfügung stehen.
2. Die angegriffenen Normen verletzen das durch Art. 2 Abs. l in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG gewährleistete Recht der Beschwerdeführerin zu l a auf informationelle Selbstbestimmung nicht.
a) Die Beschwerdeführerin als juristische Person ist Trägerin dieses Grundrechts, soweit es auf Art. 2 Abs. l GG gestützt ist...
b) Die in den angegriffenen Normen vorgesehenen Datenabrufe berühren den Schutzbereich des Rechts der Beschwerdeführerin auf informationelle Selbstbestimmung allerdings nicht.
aa) Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gewährleistet der Beschwerdeführerin als juristischer Person einen Grundrechtsschutz vor Gefährdungen, die von staatlichen informationellen Maßnahmen ausgehen können. Entsprechend dem Tätigkeitskreis der Beschwerdeführerin ist dabei in erster Linie auf ihre wirtschaftliche Tätigkeit abzustellen.
Eine grundrechtlich erhebliche Gefährdungslage besteht nicht stets bereits deshalb, weil eine staatliche Stelle Kenntnisse erlangt, die einen Bezug zu einer bestimmten juristischen Person und ihrer Tätigkeit aufweisen. Die informationelle Maßnahme muss vielmehr die betroffene juristische Person einer Gefährdung hinsichtlich ihrer spezifischen Freiheitsausübung aussetzen. Maßgeblich kommt es insoweit insbesondere auf die Bedeutung der betroffenen Informationen für den grundrechtlich geschützten Tätigkeitskreis der juristischen Person, im Fall der Beschwerdeführerin also für ihre kreditwirtschaftliche Tätigkeit, sowie auf den Zweck und die möglichen Folgen der Maßnahme an.
bb) Die in den angegriffenen Normen vorgesehene Erfassung von Kontostammdaten gefährdet die wirtschaftliche Verhaltensfreiheit eines Kreditinstituts, wegen dessen Kunden die Abrufe durchgeführt werden, grundsätzlich nicht.
Dies gilt jedenfalls dann, wenn, wie vorliegend, ein Datenabruf Ermittlungen gegen einen Kunden eines Kreditinstituts dient, nicht aber solchen gegen das Kreditinstitut selbst. Dementsprechend bereitet er belastende Maßnahmen allein gegen den betroffenen Kunden vor. Die bloße Kenntnis, dass ein bestimmtes Kreditinstitut geschäftliche Beziehungen mit der Zielperson des Stammdatenabrufs unterhält, wird für die abrufende Behörde auch kaum je einen Anlass bieten, nunmehr Ermittlungen gegen dieses Kreditinstitut aufzunehmen. Ein derartiger Anlass kann sich allenfalls aus Folgemaßnahmen des Stammdatenabrufs ergeben.
Diese beruhen auf eigenständigen Ermächtigungsgrundlagen, die nicht Gegenstand der vorliegenden Verfassungsbeschwerden sind.
Zwar kann ein Kreditinstitut ein Interesse daran haben, seine Geschäftsbeziehungen zu bestimmten Kunden geheim zu halten. Dieses Geheimhaltungsinteresse ist jedoch nur insoweit grundrechtlich geschützt, als seine Beeinträchtigung auf die eigene wirtschaftliche Tätigkeit des Kreditinstituts zurückwirken kann. Das ist grundsätzlich nicht der Fall, soweit - wie hier - die Geschäftsbeziehungen allein im Rahmen von Ermittlungen zur Kenntnis genommen werden, die sich gegen die Kunden richten. Das Geheimhaltungsinteresse kann allerdings dann berührt werden, wenn die gewonnenen Informationen über diese Ermittlungen hinaus gespeichert, genutzt oder weitergeleitet werden sollen. Hierfür bedarf es wiederum eigenständiger Ermächtigungsgrundlagen, die in den angegriffenen Normen nicht enthalten sind.
3. Es kann dahinstehen, ob auch die durch Art. 12 Abs. l in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG gewährleistete Berufsfreiheit der Beschwerdeführerin berührt ist. Jedenfalls bietet dieses Grundrecht grundsätzlich keinen über das Recht auf informationelle Selbstbestimmung hinausgehenden Schutz vor staatlichen informationellen Maßnahmen.
III.
§ 24c Abs. 3 Satz l Nr. 2 KWG und § 93 Abs. 7 AO verletzen nicht die Berufsfreiheit des Beschwerdeführers zu Ib [eines Rechtsanwalts und Notars]. Art. 12 Abs. l GG schützt zwar die zwischen Rechtsanwälten und ihren Mandanten bestehenden Vertrauensverhältnisse. Entsprechendes gilt für das Vertrauensverhältnis im Bereich notarieller Tätigkeit. Diese Gewährleistung wird jedoch durch die Normen, gegen die sich der Beschwerdeführer zulässigerweise wendet, nicht berührt...
IV.
Die angegriffenen Normen verstoßen nicht gegen die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG.
1. Art. 19 Abs. 4 GG begründet einen grundrechtlichen Anspruch auf effektiven Schutz des subjektiven Rechts, das für den von einem Datenabruf nach den angegriffenen Normen Betroffenen aus Art. 2 Abs. l in Verbindung mit Art. l Abs. l GG folgt. Die Rechtsschutzgarantie gewährleistet über die Eröffnung des Rechtswegs hinaus eine tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle (vgl. BVerfGE 35, 382, 401 f.; 65, l, 70 = WM 1984,_98; 77, 275, 284; 84, 34, 49; 93, l, 13; 101, 106, 122). Die Garantie effektiven Rechtsschutzes wirkt daher über die gerichtliche Kontrolle und das gerichtliche Verfahren hinaus in das behördliche Verfahren hinein, wenn eine solche Vorwirkung für die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes faktisch erforderlich ist (vgl. BVerfGE 100, 313, 364 = WM 1999, 657; 101, 106, 123; 109, 279, 364).
Der Rechtsweg, den Art. 19 Abs. 4 GG dem Einzelnen gewährleistet, bedarf allerdings der gesetzlichen Ausgestaltung. Rechtsschutz ist eine staatliche Leistung, deren Voraussetzungen erst geschaffen, deren Art näher bestimmt und deren Umfang im Einzelnen in den jeweiligen Verfahrensordnungen festgelegt werden müssen. Art. 19 Abs. 4 GG lässt dem Gesetzgeber dabei einen Gestaltungsspielraum, gibt jedoch die Zielrichtung und die Grundzüge der Regelung vor (vgl. BVerfGE 101, 106, 123 f.).
Ein hinreichend effektiver Rechtsschutz gegen heimliche Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbe-
Stimmung setzt voraus, dass der Betroffene von einem solchen Eingriff überhaupt Kenntnis erlangen kann. Ohne die Möglichkeit einer solchen Kenntnisnahme kann er weder die Unrechtmäßigkeit des Eingriffs noch etwaige Rechte auf Löschung oder Berichtigung geltend machen. Wie die Kenntnisgewährung im Einzelnen auszugestalten ist, gibt das Grundgesetz jedoch nicht vor. Der Betroffene ist allerdings zu benachrichtigen, wenn Datenerhebungen heimlich erfolgen, Auskunftsansprüche aber nicht eingeräumt worden sind oder den Rechten des Betroffenen nicht angemessen Rechnung tragen (vgl. BVerfGE 65, l, 70 = WM 1984, 98; 100, 313, 361, 364 = WM 1999, 657; 109, 279, 363 f.).
Der Anspruch auf effektiven Rechtsschutz fordert weiter, dass das Gericht das Rechtsschutzbegehren in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht umfassend prüfen kann. Soweit die Effektivität des Rechtsschutzes von der Offenlegung der Vorgänge abhängt, die zu der angegriffenen Maßnahme geführt haben, wird auch die Kenntnisnahme dieser Vorgänge durch das Gericht von dem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG umschlossen (vgl. BVerfGE 101, 106, 123). Dementsprechend können sich aus der Rechtsschutzgarantie Dokumentations- und Begründungspflichten ergeben, deren Erfüllung einen effektiven Rechtsschutz erst ermöglicht (vgl. BVerfGE 49, 24, 66 f.; 65, l, 70 = WM 1984, 98; 69, l, 49; 103,142, 160; vgl. ferner BVerfGE 100, 313, 364 f. = WM 1999, 657).
2. Nach diesen Maßstäben werden die angegriffenen Normen den grundrechtlichen Anforderungen an einen tatsächlich wirkungsvollen Rechtsschutz gerecht...
D.
Die Verfassungswidrigkeit des § 93 Abs. 8 AO führt nicht zu dessen Nichtigkeit. Ausnahmsweise sind verfassungswidrige Vorschriften weiter anzuwenden, wenn gewichtige rechtliche Belange es rechtfertigen, die Norm als Regelung für eine Übergangszeit fortbestehen zu lassen (vgl. BVerfGE 41, 251, 267; 58, 257, 280; 76, 171, 189; 83, 130, 154; 111, 191, 224; BVerfG, Beschluss vom 12. Dezember 2006 -1 BvR 2576/04 -, unter B II2 = WM 2007, 853). So liegt es hier. Die Ermächtigung wird zur Sicherung der Erhebung von Sozialabgaben und zur Überprüfung der Berechtigung von Sozialleistungen herangezogen. Bei einer Nichtigerklärung des § 93 Abs. 8 AO würden bis zu einer Neuregelung erhebliche Vollzugsdefizite im Sozialrecht drohen. Bei der Entscheidung über die Weitergeltung der Norm in der Übergangszeit war zu berücksichtigen, dass die Verfassungswidrigkeit der Norm allein auf einem Bestimmtheitsmangel beruht, dem für die sozialbehördliche Praxis durch die Regelungen des Anwendungserlasses begegnet wurde, auch wenn der Mangel dadurch nicht verfassungsrechtlich wirksam geheilt worden ist.
Für eine verfassungsgemäße Neuregelung steht dem Gesetzgeber eine Frist bis zum 31. Mai 2008 zur Verfügung. § 93 Abs. 8 AO bleibt bis zu einer verfassungsgemäßen Neuregelung mit der Maßgabe anwendbar, dass Abrufersuchen nach ihm allein zu dem Zweck zulässig sind, die Leistungsberechtigung für die in Nr. 3.2 AEAO genannten Sozialleistungen zu überprüfen.
Vertragsschluss:00/00/0000
Language(s):de/german
Data input:IFF : Institut Für Finanzdienstleistungen
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    Created: 27/07/07. Last changed: 27/07/07.
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