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ID:38791
Type:U/Judgements
Cite:BGH Karlsruhe, Beschluss from 08/16/2006, Ref. VIII ZR 200/05, www.bundesgerichtshof.de
Area:zyVuR/VuR Verbraucher und Recht Zeitschrift für Verbraucher und Unternehmen
Keywords:VuR(noFDL); Kaufverträge
Countries/Regions:04EUDE/Germany
Reference:VIII ZR 200/05
Court:BGH Karlsruhe
State:Beschluss
Date of judgment:08/16/2006
Found at:www.bundesgerichtshof.de
Norm:VerbrauchsgüterkaufRL Art. 3; BGB § 439
Fulltext:Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften wird folgende Frage zur Auslegung
des Gemeinschaftsrechts gemäß Art. 234 EG zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Sind die Bestimmungen des Art. 3 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4
oder des Art. 3 Abs. 3 Satz 3 der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments
und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs
und der Garantien für Verbrauchsgüter dahin auszulegen, dass sie einer
nationalen gesetzlichen Regelung entgegenstehen, die besagt, dass der Verkäufer
im Falle der Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes des Verbrauchsgutes
durch Ersatzlieferung von dem Verbraucher Wertersatz für die Nutzung des zunächst
gelieferten vertragswidrigen Verbrauchsgutes verlangen kann?
BGH, Beschluss vom 16. August 2006 - VIII ZR 200/05 - OLG Nürnberg
LG Nürnberg

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 31. Mai 2006 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert und die Richter
Ball, Dr. Leimert, Wiechers und Dr. Wolst
beschlossen:
I. Das Verfahren wird ausgesetzt.
II. Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften wird folgende
Frage zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts gemäß
Art. 234 EG zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Sind die Bestimmungen des Art. 3 Abs. 2 in Verbindung mit
Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 oder des Art. 3 Abs. 3 Satz 3 der
Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des
Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des
Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter
dahin auszulegen, dass sie einer nationalen gesetzlichen Regelung
entgegenstehen, die besagt, dass der Verkäufer im Falle
der Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes des
Verbrauchsgutes durch Ersatzlieferung von dem Verbraucher
Wertersatz für die Nutzung des zunächst gelieferten vertragswidrigen
Verbrauchsgutes verlangen kann?

Gründe:
I.
Der Kläger ist ein Verbraucherverband, der in die gemäß § 4 des Unterlassungsklagengesetzes
(UKlaG) beim Bundesverwaltungsamt geführte Liste
qualifizierter Einrichtungen eingetragen ist. Die Beklagte betreibt ein Versandhandelsunternehmen.
Im Sommer 2002 bestellte die Käuferin S. B. für ihren privaten
Gebrauch bei der Beklagten ein sogenanntes "Herd-Set" zum Preis von
524,90 €. Die Ware wurde im August 2002 geliefert. Im Januar 2004 stellte die
Käuferin fest, dass sich an der Innenseite des zu dem "Herd-Set" gehörenden
Backofens die Emailleschicht abgelöst hatte. Da eine Reparatur des Gerätes
nicht möglich war, tauschte die Beklagte den Backofen vereinbarungsgemäß
noch im Januar 2004 aus. Das ursprünglich gelieferte Gerät gab die Käuferin an
die Beklagte zurück. Für dessen Nutzung verlangte die Beklagte von der Käuferin
eine Vergütung in Höhe von zunächst 119,97 €, später 69,97 €. Die Käuferin
zahlte diesen Betrag an die Beklagte.

Gestützt auf eine entsprechende Ermächtigung durch die Käuferin verlangt
der Kläger Rückzahlung dieses Betrages in Höhe von 67,86 € nebst Zinsen.
Daneben hat er, soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse, beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, Verbrauchern im Falle der
Ersatzlieferung Beträge für die Nutzung der mangelhaften Ware in Rechnung
zu stellen.

Das Landgericht (NJW 2005, 2560) hat dem Zahlungsantrag stattgegeben
und die Klage im Übrigen abgewiesen. Das Oberlandesgericht, dessen
Entscheidung in NJW 2005, 3000 veröffentlicht ist, hat die Berufung der Beklag-
ten und hinsichtlich des vorbezeichneten Unterlassungsantrags auch die Berufung
des Klägers zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Die Beklagte
erstrebt mit ihrer Revision die Abweisung der Zahlungsklage. Der Kläger verfolgt
mit seiner Revision den vorbezeichneten Unterlassungsanspruch weiter.
II.
Das Berufungsgericht hat, soweit für das Revisionsverfahren noch von
Interesse, zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

Die Zahlung einer Nutzungsentschädigung sei ohne Rechtsgrund erfolgt
und könne daher nach § 812 Abs. 1 BGB zurückgefordert werden. Aus der Verweisung
des § 439 Abs. 4 BGB auf § 346 Abs. 1 BGB könne die Beklagte keinen
Anspruch auf Nutzungsentschädigung herleiten. Die Vorschrift des § 439
Abs. 4 BGB enthalte keine Rechtsfolgenverweisung auf § 346 Abs. 1, 2. Alt.
BGB (Herausgabe von tatsächlich gezogenen Nutzungen). Die Begründung des
Gesetzgebers für eine Verpflichtung des Käufers, im Falle der Ersatzlieferung
eine Nutzungsentschädigung zu zahlen, überzeuge nicht. Es sei nicht
gerechtfertigt, im Falle einer Ersatzlieferung alle aus dem Rücktritt resultierenden
Rechtsfolgen anzuwenden. Zwar habe der Käufer bei der Ersatzlieferung
dadurch einen Vorteil, dass er anstelle der ursprünglichen Sache nun eine neue
ungebrauchte Sache mit einer neuen Gewährleistungsfrist erhalte und grundsätzlich
mit einer längeren Lebensdauer der Ware rechnen könne. Dem Verkäufer
bleibe als Nachteil eine unverkäufliche, weil mangelbehaftete Sache,
allerdings behalte er den vollen Kaufpreis und damit den eigentlichen Gewinn.
Im Falle des Rücktritts stelle sich die Situation für den Verkäufer deutlich ungünstiger
dar. Er müsse nicht nur die mangelhafte Ware behalten, sondern zusätzlich
noch den im Kaufpreis enthaltenen Gewinn herausgeben. Demgegen-
über erhalte der Käufer den vollen Kaufpreis zurück und könne sich von seinem
Vertragspartner lösen. Nur in diesem Fall sei es interessengerecht, wenn der
Käufer eine Nutzungsentschädigung zahle.
Auch wenn der Beklagten somit im Falle der Ersatzlieferung kein Anspruch
auf Nutzungsentschädigung zustehe, sei der auf § 2 Abs. 2 Nr. 1 UKlaG
gestützte Unterlassungsantrag unbegründet, weil das Verhalten der Beklagten
nicht gegen eine Vorschrift verstoße, die dem Schutz der Verbraucher diene.
III.
Die Entscheidung über den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf
Rückzahlung des geleisteten Betrages in Höhe von 67,86 € hängt von der Beantwortung
der Frage ab, ob die Beklagte im Rahmen der Nacherfüllung durch
Ersatzlieferung berechtigt war, von der Käuferin – einer Verbraucherin – Wertersatz
für die Nutzung des ursprünglich gelieferten mangelhaften Backofens in
der Zeit von August 2002 bis zur Rückgabe im Januar 2004 zu verlangen.

1. Nach dem nationalen deutschen Recht hat der Verkäufer im Falle der
Ersatzlieferung einen Anspruch aus § 439 Abs. 4 BGB in Verbindung mit § 346
Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB auf Wertersatz für die Vorteile, die der Käufer
aus dem Gebrauch der mangelhaften Sache bis zu deren Austausch gezogen
hat. Dies gilt auch dann, wenn der Käufer – wie hier – ein Verbraucher (§ 13
BGB) ist.

a) § 439 Abs. 4 BGB bestimmt, dass der Verkäufer, der zum Zwecke der
Nacherfüllung eine mangelfreie Sache liefert, vom Käufer Rückgewähr der
mangelhaften Sache "nach Maßgabe der §§ 346 bis 348" verlangen kann. Diese
Verweisung schließt nach ihrem Wortlaut und nach dem in den Gesetzesma-
terialien zum Ausdruck gebrachten eindeutigen Willen des Gesetzgebers auch
den in § 346 Abs. 1 BGB geregelten Anspruch auf Herausgabe der gezogenen
Nutzungen bzw. – soweit die Herausgabe nach der Natur des Erlangten ausgeschlossen
ist – auf Wertersatz nach § 346 Abs. 2 Nr. 1 BGB ein. Auch im nationalen
rechtswissenschaftlichen Schrifttum wird die Verweisung überwiegend in
diesem Sinne verstanden (MünchKommBGB/Westermann, 4. Aufl., § 439
Rdnr. 17; Staudinger/Matusche-Beckmann, BGB (2004), § 439 Rdnr. 56; Bamberger/
Roth/Faust, BGB, § 439 Rdnr. 32; Erman/Grunewald, BGB, 11. Aufl.,
§ 439 Rdnr. 11; Jauernig/Berger, BGB, 11. Aufl., § 439 Rdnr. 18; Graf von
Westphalen in Henssler/Graf von Westphalen, Praxis der Schuldrechtsreform,
2. Aufl., § 439 Rdnr. 36; Tonner/Echtermeyer in Kohte/Micklitz/Rott/Tonner/
Willingmann, Das neue Schuldrecht, 2003, § 439 Rdnr. 20; P. Huber in Huber/
Faust, Schuldrechtsmodernisierung, 2002, Kap. 13 Rdnr. 55; Reinking/
Eggert, Der Autokauf, 9. Aufl., Rdnr. 326; Buck in Westermann, Das
Schuldrecht 2002, 2002, S. 138 f.; Jacobs in Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, Das
neue Schuldrecht in der Praxis, 2003, S. 392 f.; Eckert, Schuldrecht Besonderer
Teil, 2. Aufl., Rdnr. 176; Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, 7. Aufl., Rdnr. 432 ff.;
Kandler, Kauf und Nacherfüllung, 2004, S. 552 ff.; Brox/Walker, Besonderes
Schuldrecht, 30. Aufl., § 4 Rdnr. 42; Westermann, JZ 2001, 530, 537; ders.,
NJW 2002, 241, 249; Reischl, JuS 2003, 667 f.; Fest, NJW 2005, 2959; Tiedtke/
Schmitt, DStR 2004, 2060; Schürholz, Die Nacherfüllung im neuen Kaufrecht,
2005, S. 79 ff., 83; Oetker/Maultzsch, Vertragliche Schuldverhältnisse,
2. Aufl., S. 103 f.; Feuersänger, MDR 2004, 922; Brüggemeier, WM 2002, 1376,
1379).
b) Im deutschen Schrifttum ist diese Auffassung allerdings nicht unumstritten.
Nach der Gegenmeinung soll der Käufer im Falle der Ersatzlieferung
nicht zum Wertersatz für die Nutzung der mangelhaften Kaufsache verpflichtet
sein (Palandt/Putzo, BGB, 65. Aufl., § 439 Rdnr. 25; Oechsler, Schuldrecht Be-
sonderer Teil Vertragsrecht, 2003, S. 147; AnwKomm-Büdenbender, 2005,
§ 439 Rdnr. 43; Schulz, Der Ersatzlieferungs- und Nachbesserungsanspruch
des Käufers im internen deutschen Recht, im UCC und im CISG, 2002, S. 507;
Winkelmann in Schimmel/Buhlmann, Frankfurter Handbuch zum neuen Schuldrecht,
2002, S. 538 ff.; MünchKommBGB/S. Lorenz, aaO, Vor § 474 Rdnr. 19;
Gsell, NJW 2003, 1969; dies., JuS 2006, 203; Roth, JZ 2001, 475, 489;
Schwab, JuS 2002, 630, 636; Ball, NZV 2004, 217, 221 f.; Schulze/Ebers, JuS
2004, 366, 369 f.; Rott, BB 2004, 2478; Hoffmann, ZRP 2001, 347, 349; Saenger/
Zurlinden, EWiR 2005, 819; Woitkewitsch, VuR 2005, 1; Wagner/Michal,
ZGS 2005, 368; dies., VuR 2006, 46; Muthorst, ZGS 2006, 90; Brömmelmeyer,
JZ 2006, 493, 498 f.; Beck, JR 2006, 177). Zur Begründung wird unter anderem
angeführt, die Verweisung in § 439 Abs. 4 BGB auf die §§ 346 bis 348 BGB sei
teleologisch entsprechend zu reduzieren (Wagner/Michal, aaO; Schwab, aaO;
Muthorst, aaO; Saenger/Zurlinden, aaO; Winkelmann, aaO). Gemäß § 446
Satz 2 BGB gebühre die Nutzung der Kaufsache von Anfang an dem Käufer,
der dafür auch den Kaufpreis gezahlt habe (Gsell, NJW 2003, 1969 ff.; dies.,
JuS 2006, 203, 204; Schwab, aaO; Hoffmann, aaO; Woitkewitsch, aaO). Anders
als im Falle des Rücktritts verbleibe bei einer Ersatzlieferung der Kaufpreis
einschließlich der daraus gezogenen Nutzungen dem Verkäufer (Gsell, aaO).
Wollte man einseitig nur den Käufer zur Herausgabe der Nutzungen verpflichten,
liefe dies auf eine ungerechtfertigte Besserstellung des schlechtleistenden
Verkäufers hinaus (Wagner/Michal, VuR 2006, 46, 48; dies., ZGS 2005, 368,
372; Brömmelmeyer, aaO, S. 495).
c) Der Senat teilt die von den Vertretern der Mindermeinung erhobenen
Bedenken gegen die einseitige Belastung des Käufers mit einer Verpflichtung
zur Herausgabe der Nutzungen der mangelhaften Kaufsache. Er sieht jedoch
keine Möglichkeit, die unangemessene gesetzliche Regelung im Wege der Auslegung
zu korrigieren. Dem steht neben dem eindeutigen Wortlaut insbesonde-
re der in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gebrachte eindeutige Wille
des Gesetzgebers entgegen.
In der Begründung des Koalitionsentwurfs zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz
heißt es in der Einzelbegründung zu § 439 Abs. 4 BGB:
"Ebenso wie bisher § 480 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 467
Satz 1 steht dem Verkäufer ein Rückgewähranspruch nach den
Vorschriften über den Rücktritt zu. Deshalb muss der Käufer, dem
der Verkäufer eine neue Sache zu liefern und der die zunächst gelieferte
fehlerhafte Sache zurückzugeben hat, gemäß §§ 439
Abs. 4, 346 Abs. 1 RE auch die Nutzungen, also gemäß § 100
auch die Gebrauchsvorteile, herausgeben. Das rechtfertigt sich
daraus, dass der Käufer mit der Nachlieferung eine neue Sache
erhält und nicht einzusehen ist, dass er die zurückzugebende Sache
in dem Zeitraum davor unentgeltlich nutzen können soll und
so noch Vorteile aus der Mangelhaftigkeit ziehen können soll. Von
Bedeutung ist die Nutzungsherausgabe ohnehin nur in den Fällen,
in denen der Käufer die Sache trotz der Mangelhaftigkeit noch
nutzen kann." (BT-Drucks. 14/6040, S. 232 f.).
Dieser nach der Gesetzesbegründung eindeutige Wille des Gesetzgebers
hat in der Formulierung des § 439 Abs. 4 BGB und der uneingeschränkten
Bezugnahme auf die §§ 346 bis 348 BGB seinen Niederschlag gefunden. Hätte
der Gesetzgeber entgegen seiner im Gesetzgebungsverfahren zum Ausdruck
gebrachten Absicht in § 439 Abs. 4 BGB allein die Rückgabe der mangelhaften
Sache selbst regeln wollen, wäre zumindest die Verweisung auf § 347 BGB, der
ausschließlich die Frage der Nutzungen (und Verwendungen) regelt, entbehrlich
gewesen. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Formulierung
der Vorschrift des § 439 Abs. 4 BGB nicht der aus der Gesetzbegründung
hervorgehenden Absicht des Gesetzgebers entspräche, dem Verkäufer für den
Fall der Ersatzlieferung auch einen Anspruch auf Herausgabe der vom Käufer
gezogenen Nutzungen zuzubilligen.
Eine einschränkende Auslegung des § 439 Abs. 4 BGB dahin, dass die
Verweisung auf die Rücktrittsvorschriften nicht auch einen Anspruch des Verkäufers
auf Nutzungsvergütung begründet, widerspräche somit dem Wortlaut
und dem eindeutig erklärten Willen des Gesetzgebers. Eine solche Auslegung
ist unter Berücksichtigung der Bindung der Rechtsprechung an Recht und Gesetz
(Art. 20 Abs. 3 GG) nicht zulässig (BVerfGE 71, 81, 105; 95, 64, 93). Die
Möglichkeit der Auslegung endet dort, wo sie mit dem Wortlaut und dem klar
erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde (BVerf-
GE 18, 97, 111; 98, 17, 45; 101, 312, 319).

2. Der Senat hat aber Zweifel, ob die Vorschrift des § 439 Abs. 4 BGB in
ihrer den Senat bindenden Auslegung mit der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten
des Verbrauchsgüterkaufes und der Garantien für Verbrauchsgüter
(ABl. Nr. L 171/12 vom 7. Juli 1999, im Folgenden: Richtlinie) in Einklang steht,
nach deren Art. 3 Abs. 2 bis 4 die Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes
des Verbrauchsgutes (auch) durch Ersatzlieferung für den Verbraucher unentgeltlich
sein und ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher erfolgen
muss.

a) § 439 Abs. 4 BGB differenziert nicht danach, ob der Käufer Verbraucher
im Sinne des Art. 1 Abs. 2 lit. a der Richtlinie ist und der Verkäufer im
Rahmen seiner beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit Verbrauchsgüter verkauft
(Art. 1 Abs. 2 lit. c der Richtlinie). Die Verpflichtung, dem Verkäufer im Falle
der Ersatzlieferung Wertersatz für die Nutzung der mangelhaften Kaufsache
zu leisten, trifft daher auch Käufer, die – wie im vorliegenden Fall – als Verbraucher
Verbrauchsgüter von einem beruflich oder gewerblich tätigen Verkäufer
erworben haben.
b) Ob § 439 Abs. 4 BGB mit der Richtlinie zu vereinbaren ist, ist im nationalen
rechtswissenschaftlichen Schrifttum umstritten.
Einer verbreiteten Meinung zufolge steht Art. 3 Abs. 2 bis 4 der Richtlinie
einem Anspruch des Verkäufers auf Nutzungsersatz nicht entgegen (Staudinger/
Matusche-Beckmann, aaO; Palandt/Putzo, aaO; Bamberger/Roth/Faust,
aaO; Jauernig/Berger, aaO; P. Huber in Huber/Faust, aaO, Rdnr. 56; Reinking/
Eggert, aaO; Buck in Westermann, aaO; Jacobs in Dauner-
Lieb/Konzen/Schmidt, aaO; Kandler, aaO, S. 557 ff.; Schürholz, aaO; Oechsler,
aaO; Fest, aaO, S. 2961; Wagner/Michal, VuR 2006, 46, 48; Tiedtke/Schmitt,
aaO). Begründet wird dies mit der Erwägung, Art. 3 Abs. 2 bis 4 der Richtlinie
regele nur die Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes durch Lieferung
einer neuen Sache. Die Zahlung einer Nutzungsvergütung sei demgegenüber
nicht als Gegenleistung für die Ersatzlieferung anzusehen, sondern betreffe nur
die Modalitäten der Herausgabe der mangelhaften Sache im Einzelnen; derartige
Abwicklungsfragen unterfielen der Richtlinie nicht. Eine Verpflichtung des
Verbrauchers zur Herausgabe von Nutzungen widerspreche auch nicht dem
Sinn und Zweck der Richtlinie. Diese verlange unter Berücksichtigung des Erwägungsgrundes
Nr. 15 nur, den Verbraucher von den Kosten, nicht aber von
sämtlichen Nachteilen und Unannehmlichkeiten der Nacherfüllung freizustellen.
Nach der Gegenansicht ist ein Anspruch des Verkäufers auf Zahlung einer
Nutzungsvergütung nicht mit Art. 3 Abs. 2 bis 4 der Richtlinie vereinbar
(MünchKommBGB/S. Lorenz, aaO; Winkelmann in Schimmel/Buhlmahn, aaO;
Roth, aaO; Hoffmann, aaO; Gsell, NJW 2003, 1969, 1973 f.; Rott, aaO; Ball,
aaO; Schulze/Ebers, aaO; Woitkewitsch, aaO, S. 4; Brömmelmeyer, aaO,
S. 498 f.; wohl auch Schulz, aaO; Saenger/Zurlinden, aaO, S. 820). Diese Auffassung
sieht in der Nutzungsvergütung der Sache nach ein Entgelt für die
Wertsteigerung und die Verlängerung der Gebrauchsdauer, in deren Genuss
der Käufer durch die Ersatzlieferung einer neuen Sache komme. Zudem werde
der Verbraucher unter Umständen an der Geltendmachung seines Nacherfüllungsanspruchs
gehindert, da er Voraussetzungen und Höhe des Nutzungsersatzes
nur schwer einschätzen oder die zum Kaufpreis hinzutretende Nutzungsvergütung
nicht aufbringen könne und deshalb möglicherweise von einem
berechtigten Verlangen nach Ersatzlieferung Abstand nehmen werde. Sofern in
einem solchen Falle der Mangel allein durch Ersatzlieferung behebbar und der
Verkäufer dazu nur gegen Nutzungsersatz verpflichtet sei, könne dies zur Folge
haben, dass der Verbraucher leer ausgehe, weil er wegen des Vorrangs der
Nacherfüllung auch die sekundären Käuferrechte – Vertragsauflösung (Rücktritt),
Minderung, Schadensersatz statt der Leistung – nicht geltend machen
könne.
c) Diese Bedenken sind auch nach der Auffassung des Senats nicht von
der Hand zu weisen.
Nach Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie hat der Verbraucher im Falle einer Vertragswidrigkeit
des Verbrauchsgutes Anspruch auf die unentgeltliche Herstellung
des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsgutes. Dementsprechend
sieht Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie einen Anspruch auf unentgeltliche Nachbesserung
oder unentgeltliche Ersatzlieferung vor. Ziel dieser Regelung ist es, den
Verbraucher durch die Nachbesserung oder die Ersatzlieferung so zu stellen,
als hätte der Verkäufer das Verbrauchsgut ursprünglich in vertragsgemäßem
Zustand geliefert. In diesem Falle hätte der Verbraucher als Gegenleistung für
das Verbrauchsgut in vertragsgemäßem Zustand allein den Kaufpreis aufzubringen
gehabt. Schon von diesem Ansatz her betrachtet könnte die Belastung
des Verbrauchers mit einer zum Kaufpreis hinzutretenden weiteren Zahlungspflicht,
die den Verbraucher allein deswegen treffen soll, weil der Verkäufer das
Verbrauchsgut nicht in vertragsgemäßem Zustand geliefert hat, und von deren
Erfüllung der Verkäufer die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des
Verbrauchgutes soll abhängig machen dürfen, Art. 3 Abs. 2 und 3 der Richtlinie
widersprechen.
Der Senat hält es auch nicht für richtig, die Frage der Nutzungsvergütung
losgelöst von der Lieferung einer vertragsgemäßen Ersatzsache und damit als
einen Gegenstand zu betrachten, der außerhalb des Regelungsbereichs der
Richtlinie läge. Denn die Frage, ob der Verbraucher dem Verkäufer im Falle der
Ersatzlieferung für die Nutzung des nicht vertragsgemäßen Verbrauchsgutes
Wertersatz schuldet, betrifft nicht allein die Rückgabe des nicht vertragsgemäßen
Verbrauchsguts. Als bloße Rückgabemodalität lässt sich eine Verpflichtung
des Käufers zum Nutzungsersatz nach nationalem Recht nicht begründen. Die
Nutzungen der gekauften Sache stehen gemäß § 446 Satz 2 BGB von der
Übergabe an dem Käufer zu. Das kann bei einer mangelhaften (nicht vertragsgemäßen)
Kaufsache nicht anders sein als bei einer mangelfreien. Bei isolierter
Betrachtung der Rückgabe der mangelhaften Sache an den Verkäufer ließe
sich auch keine Begründung dafür finden, weshalb der Käufer entgegen § 446
Satz 2 BGB für die ihm gebührenden Nutzungen Wertersatz an den Verkäufer
sollte leisten müssen. Dass der Käufer durch die Ersatzlieferung eine neue,
noch nicht benutzte Sache erhält, hat nicht zur Folge, dass er die ursprünglich
gelieferte, mangelhafte Sache, für die er als Gegenleistung den – dem Verkäufer
samt Nutzungen verbleibenden – Kaufpreis gezahlt hat, unentgeltlich auf
Kosten des Verkäufers genutzt hat (so aber die Begründung des Koalitionsentwurfs
zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz aaO S. 233). Als im Rückblick
unentgeltlich würde sich die Nutzung der ursprünglich gelieferten, mangelhaften
Sache durch den Käufer nur unter der Voraussetzung darstellen, dass der
Kaufpreis als Gegenleistung nicht für diese, sondern für die ersatzweise gelieferte
neue Sache anzusehen wäre. Diese Sichtweise, von der der deutsche
Gesetzgeber sich offenbar hat leiten lassen, entspricht jedoch nicht dem Willen
und der Vorstellung der Vertragsparteien und erscheint dem Senat darüber hinaus
auch im Hinblick auf Art. 3 Abs. 2 und 3 der Richtlinie problematisch.
Eine Verpflichtung des Verbrauchers, dem Verkäufer im Falle der Ersatzlieferung
für die Nutzung des nicht vertragsgemäßen Verbrauchsgutes Wertersatz
zu leisten, lässt sich nach Auffassung des Senats weder mit Art. 3 Abs. 4
der Richtlinie noch mit deren Erwägungsgrund 15 begründen (so aber die Begründung
des Koalitionsentwurfs zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz
aaO). Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie stellt nur klar, dass der Begriff "unentgeltlich"
in den Absätzen 2 und 3 die für die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands
des Verbrauchsgutes notwendigen Kosten "umfasst"; daraus lässt sich nicht
herleiten, dass dem Verbraucher zur Herstellung des vertragsgemäßen Zustands
anders geartete Zahlungen abverlangt werden dürften. Nach dem Erwägungsgrund
der Richtlinie können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass "eine
dem Verbraucher zu leistende Erstattung gemindert werden kann", um der Benutzung
der Ware durch den Verbraucher Rechnung zu tragen. Diese Formulierung
macht deutlich, dass der Erwägungsgrund sich auf die Vertragsaufhebung
(den Rücktritt), nicht aber auf die – mit dem Rücktritt nicht vergleichbare – Ersatzlieferung
bezieht, bei der es eine dem Verbraucher zu leistende Erstattung
nicht gibt, der Kaufpreis vielmehr mitsamt den daraus gezogenen Nutzungen
dem Verkäufer verbleibt.
d) Sollte der Grundsatz der Unentgeltlichkeit der Ersatzlieferung beim
Verbrauchsgüterkauf einem Anspruch des Verkäufers auf Zahlung einer Nutzungsvergütung
nicht entgegenstehen, stellt sich die weitere Frage, ob eine
entsprechende Zahlungspflicht des Verbrauchers als eine erhebliche Unannehmlichkeit
im Sinne des Art. 3 Abs. 3 Satz 3 der Richtlinie anzusehen ist. Dafür
könnte die Erwägung sprechen, dass ein Verbraucher, der befürchten muss,
bei längerer Gebrauchsdauer eine im Verhältnis zum Kaufpreis nicht unerhebli-
che Nutzungsvergütung an den Verkäufer zahlen zu müssen, sich im Hinblick
darauf unter Umständen gezwungen sehen wird, sich mit einer (unentgeltlichen)
Nachbesserung des Verbrauchsgutes zufrieden zu geben oder auf seine ihm
durch Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie eingeräumten Rechte gänzlich zu verzichten.
26 e) Die Entscheidung darüber, ob die Bestimmungen des Art. 3 Abs. 2 bis
4 der Richtlinie dahin auszulegen sind, dass sie der in § 439 Abs. 4 in Verbindung
mit §§ 346 bis 348 BGB statuierten Verpflichtung des Verbrauchers entgegenstehen,
dem Verkäufer im Falle der Ersatzlieferung Wertersatz für die
Nutzung des ursprünglich gelieferten Verbrauchsgutes zu leisten, ist gemäß
Art. 234 EG dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften vorbehalten.
Der Rechtsstreit ist daher auszusetzen, und die vorbezeichnete Frage der Aus-
legung des Gemeinschaftsrechts ist dem Gerichthof zur Vorabentscheidung
vorzulegen.
Vertragsschluss:00/00/0000
Language(s):de/german
Data input:IFF : Institut Für Finanzdienstleistungen
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    Created: 23/10/06. Last changed: 01/11/06.
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