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Result No. 1 / 1:
ID:22510
Type:U/Judgements
Cite:BGH Karlsruhe, Urteil from 02/05/1999, Ref. V ZR 353/97, NJW 1999, 1702
Area:KH/Immobilienfinanzierung, Baufinanzierung, Hypothekenkredit, Bausparen, Lebensversicherung
Keywords:Immobilienerwerb; Urkunde; Auslegung; Beweislast
Countries/Regions:04EUDE/Germany
Reference:V ZR 353/97
Court:BGH Karlsruhe
State:Urteil
Date of judgment:02/05/1999
Found at:NJW 1999, 1702
Norm:BGB § 125; BGB § 133
Fulltext:Die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der über ein Rechtsgeschäft aufgenommenen Urkunde wirkt sich bei der Auslegung des vereinbarten dahin aus, daß die Partei, die ein ihr günstiges Auslegungsergebnis auf Umstände außerhalb der Urkunde stützt, diese zu beweisen hat (im Anschluß an BGHZ 20, 109 = NJW 1956, 665 = LM § 282 ZPO Nr. 3).

Zum Sachverhalt:
Die Bekl. sind Inhaber des Teileigentums an Räumen im Dachgeschoß eines Gebäudes in Berlin-Charlottenburg, verbunden mit einem Miteigentumsanteil an dem Grundstück. Die Räume sind über eine Wendeltreppe mit einem darüberliegenden, ca. 200 qm großen Dachgarten verbunden, der nicht zum Sondereigentum zählt und an dem auch kein Sondernutzungsrecht des Inhabers des Teileigentums besteht. Im Anschluß an eine von der Maklerin der Bekl., B & R-GmbH, veranlaßte Anzeige, die das Objekt als "200 qm Dachgarten in Charlottenburg . . ., 210 qm Wohnfläche, Terrasse . . ., Dachgarten mit 40 Rosensorten, Grillplatz . . ." beschrieb, kam es am 4. 7. 1995 zum notariellen Kaufvertrag mit dem Kl. Zu Beginn der Urkunde bezeichnen sich die Bekl. als Inhaber des Sondereigentums "an den im Aufteilungsplan mit Nr. 39 bezeichneten Räumen im Dachgeschoß". Nach der Bestimmung über "Zustand und Rechtsverhältnisse der Kaufsache" ist das verkaufte Teileigentum "nach den Plänen ca. 204,51 qm zuzüglich Dachgarten groß" und die Haftung der Verkäufer für ihnen unbekannte Rechtsmängel ausgeschlossen. Mit Anwaltsschreiben vom 1. 9. 1995 verlangte der Kl. die Herabsetzung des Kaufpreises von 1160000 DM auf 950000 DM, da der Dachgarten nicht zu dem verkauften Sondereigentum gehöre. Die Bekl. wiesen Ansprüche des Kl. "endgültig zurück" und bestätigten diese Haltung, nachdem der Kl. sich Schadensersatz wegen Nichterfüllung vorbehalten hatte, mit Anwaltschreiben vom 2. 11. 1995. Am 14. 11. 1995 forderte der Kl. die Bekl. auf, ihm bis 15. 12. 1995 das Sondereigentum an der Dachgeschoßfläche zu verschaffen und setzte ihnen, unter Androhung der Nichtannahme nach fruchtlosem Ablauf, Nachfrist bis 29. 12. 1995.
Der Anspruch des Kl. auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung ist vom LG abgewiesen worden. Im Berufungsrechtszug hat er zuletzt beantragt, die Bekl. zur Zahlung von 796233,49 DM (Baranteil des Kaufpreises) nebst Zinsen und zur Befreiung von einer für die Bekl. übernommenen, durch das Teileigentum gesicherten Darlehensverbindlichkeit (Stand: 363766,64 DM) Zug um Zug gegen die Bewilligung der Löschung einer Auflassungsvormerkung und eines (weiteren) Grundpfandrechtes sowie die Rückübertragung von Einrichtungsgegenständen zu verurteilen. Weiter hat er Zahlung von 58053,07 DM (Maklerprovisionen für den Kauf und die Finanzierung, Beurkundungs- und Grundbuchkosten sowie Kosten einer Sonderumlage für Modernisierungsmaßnahmen) nebst Zinsen sowie die Feststellung begehrt, daß die Bekl. verpflichtet sind, ihm alle weiteren Schäden zu ersetzen, die ihm durch den Erwerb und die Rückübertragung sowie den Bezug und die Aufgabe des Teileigentums entstanden sind und künftig entstehen. Das OLG hat diesen Anträgen stattgegeben und einen weiteren Antrag auf Feststellung des Annahmeverzugs der Bekl. hinsichtlich der Zug um Zug zu erbringenden Leistungen abgewiesen. Die Revision war erfolgreich und führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.
Aus den Gründen:
I. Das BerGer. legt den Kaufvertrag anhand des Urkundsinhalts, der Zeitungsannonce und anhand von Erklärungen der Bekl. im ersten Rechtszug dahin aus, daß dem Kl. jedenfalls zusätzlich zum Teileigentum ein Sondernutzungsrecht an dem Dachgarten verkauft worden sei. Eine abweichende Auslegung lasse sich nicht daraus herleiten, daß die Bekl. den Kl. vor Vertragsschluß darüber unterrichtet hätten, die Einräumung des Sondernutzungsrechtes sei lediglich geplant. Diese Behauptung der Bekl. stehe nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht fest. Da die Bekl. das Nichtbestehen des Sondernutzungsrechtes gekannt hätten, liege ein Rechtsmangel im Sinne des Vertrags vor. Von einer die Haftung ausschließenden Kenntnis des Kl. (§ 439 BGB) könne nach dem Beweisergebnis nicht ausgegangen werden. Schadensersatz stehe dem Kl. nach § 325 BGB zu, denn die Bekl. seien zur Begründung des Sondernutzungsrechts mangels Zustimmung der übrigen Miteigentümer nicht in der Lage gewesen.
II. Die Revision greift die Auslegung des Kaufvertrags nicht (ausdrücklich) an, sondern erhebt eine Verfahrensrüge gegen die zur Kenntnis des Kl. vom Fehlen des Rechts (§ 439 BGB) getroffenen verneinenden Feststellungen. Mit ihr dringt sie durch.
1. Die von Amts wegen vorzunehmende sachlichrechtliche Überprüfung des Auslegungsergebnisses (§ 559 II ZPO, §§ 133, 157 BGB) deckt keinen das Berufungsurteil erschütternden Rechtsfehler auf.
a) Das BerGer. konnte die Behauptung der Bekl., der Kl. sei darüber unterrichtet worden, es liege lediglich der Entwurf der Vereinbarung über ein Sondernutzungsrecht vor, in dem Sinne würdigen, daß sie einer Verpflichtung der Bekl. zur Einräumung des Rechtes entgegengestanden habe. Die Deutung, die Bekl. hätten sich auf dieser Grundlage verpflichtet, dem Kl. das noch nicht bestehende Recht zu verschaffen, ist zwar ebenfalls möglich, aber nicht zwingend. Sie könnte der Revision zudem nicht zum Erfolg verhelfen.
b) Rechtsfehlerfrei hat das BerGer. die nach der Beweisaufnahme verbliebenen Zweifel an der Unterrichtung des Kl. den Bekl. angelastet. Zwar ist es grundsätzlich Sache der Partei, die aus einer rechtsgeschäftlichen Vereinbarung einen Anspruch für sich herleitet, die tatsächlichen Umstände, die Grundlage einer für sie günstigen Auslegung sind (Erklärungstatbestand), darzulegen und, auch durch Widerlegung entgegenstehenden Vortrags, zu beweisen. Anderes gilt aber, wenn über das Rechtsgeschäft eine Urkunde aufgenommen ist, für solche Umstände, die außerhalb der Urkunde liegen. Die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der Urkunde wirkt sich in einem solchen Falle dahin aus, daß die Beweislast für außerhalb der Urkunde liegende Umstände die Partei trifft, die sich auf sie beruft (BGHZ 20, 109 [111] = NJW 1956, 665 = LM § 282 ZPO Nr. 3; BGH, BB 1970, 685; Baumgärtel, Hdb. der Beweislast im PrivatR I, 2. Aufl., § 133 Rdnr. 2). Der umstrittene Vortrag der Bekl. zum Erklärungstatbestand ist mithin bei der Auslegung zu Recht unberücksichtigt geblieben.
2. Zum Erfolg führt die Verfahrensrüge. Das BerGer. hat unter Verletzung des § 139 ZPO davon abgesehen, zu klären, ob der Zeuge R von den Bekl. zum Beweis dazu benannt worden war, daß der Kl. bei der vorvertraglichen Besprechung vom 29. 6. 1995 von der Bekl. zu 1 den Hinweis erhalten hatte, die Vereinbarung über die Bestellung des Sondernutzungsrechtes existiere nur im Entwurf. Hätte das BerGer. den Punkt aufgegriffen, so wäre, wie die Revision ausführt, der Beweis in einer Zweifel beseitigenden Weise angetreten worden. Die Rüge erschüttert nicht nur die von der Revision ins Auge gefaßten tatsächlichen Grundlagen des § 439 BGB, sondern bereits den der Vertragsauslegung zugrunde liegenden Erklärungstatbestand.
a) Allerdings konnte das BerGer. davon absehen, den Zeugen R zu der bereits im Schriftsatz der Bekl. vom 29. 1. 1997 aufgestellten und im Schriftsatz vom 2. 9. 1997 wiederholten Behauptung zu vernehmen, der Zeuge habe darauf hingewiesen, der Dachgarten könne mit einem ideellen Wert von 1000 DM/qm bewertet werden; es sei nur ein ideeller Wert anzusetzen da der Dachgarten nicht zum Eigentum gehöre, allerdings vom jeweiligen Eigentümer genutzt werden könne. Dies steht, sowohl was die Wertverhältnisse als auch die Berechtigung zur Nutzung angeht, der Auslegung, Gegenstand des Vertrags sei ein Sondernutzungsrecht am Dachgarten gewesen, des weiteren der Feststellung, dem Kl. sei das Fehlen des Rechts unbekannt geblieben, nicht entgegen. Die im Schriftsatz vom 29. 1. 1997 aufgestellte, am 2. 9. 1997 wiederholte weitere Behauptung, die Bekl. zu 1 habe dem Kl. alles Wissenswerte über Art und Beschaffenheit der Wohnung sowie der Nutzungsmöglichkeit des Hauses und des Dachgartens erläutert, war, was die erheblichen Umstände anlangt, im Unbestimmten geblieben und mithin kein Anlaß, den dazu benannten Zeugen R zu hören.
b) Die Bekl. haben im Schriftsatz vom 2. 9. 1997 jedoch für den Fall, daß das BerGer. einen substantiierten Vortrag vermisse, zusätzlich behauptet, die Bekl. zu 1 habe den Kl. am 29. 6. 1995 ... ausdrücklich auf die Existenz des Entwurfes eines Nutzungsvertrages über die begehbare Dachgartenfläche hingewiesen. Zum Beweis hierfür haben sie „insbesondere (nochmals) Bezug genommen auf die Zeugin W", deren Stellung zu dem auf den 23. 9. 1997 bestimmten Beweisaufnahmetermin sie ankündigten. Diesem Vortrag war nicht mit der nach § 373 ZPO gebotenen Bestimmtheit zu entnehmen, daß auch der Zeuge R Beweisperson sein sollte. Andererseits stand diese Möglichkeit im Raum, denn die Bekl. hatten den Zeugen bereits zu den Vorgängen am 29. 6. 1995 benannt und den ergänzenden Vortrag mit dem Hinweis versehen, die Aufklärung des Kl. über die Existenz des Vertragsentwurfs sei in Anwesenheit des Zeugen erfolgt. In die gleiche Richtung deutete die Wendung „insbesondere (nochmals)" bei der Benennung der Zeugin W. Dem BerGer. hätte es bei dieser Sachlage nach § 139 ZPO freigestanden, zu fragen, ob auch R als Zeuge benannt sei oder statt dessen seine Auffassung kundzutun, der Zeuge sei nicht benannt. In beiden Fällen hätten die Bekl. Gelegenheit gehabt, für eine Klarstellung zu sorgen. Von keiner der Möglichkeiten der Aufklärung hat indessen das BerGer. Gebrauch gemacht. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung ist der Fehler auch nicht dadurch geheilt, daß die Bekl. im Termin vom 23. 9. 1997 eine Rüge unterließen (§ 295 ZPO). Eine Heilung von Aufklärungsmängeln durch Unterlassen der Rüge fehlender Aufklärung kommt naturgemäß nicht in Frage.
III. Kann sich das BerGer. nach der erneuten Verhandlung wiederum von der Behauptung der Bekl. nicht überzeugen, bestehen keine Bedenken, seinen Ausspruch in der Sache aufrechtzuerhalten. Der Kl. war durch den Umstand, daß er zunächst eine Herabsetzung des Kaufpreises beansprucht hatte, nicht gehindert, später Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen. Dies gälte ohnehin, wenn er der irrigen Vorstellung Ausdruck gegeben hätte, den Kaufpreis wegen eines Sachmangels mindern zu können. Denn die Minderung ist nach § 465 BGB erst vollzogen, wenn der Verkäufer sich auf Verlangen des Käufers mit ihr einverstanden erklärt. Aber auch wenn dies, wofür das Schreiben vom 1. 9. 1995 eher spricht, nicht der Fall war, ist eine Bindung nicht eingetreten. Der Senat hat es zwar als zumindest zweifelhaft bezeichnet, ob der Gläubiger, der die Kürzung der Gegenleistung, was hier in Frage kommen konnte, nach § 323 I (hier: 2. Halbs. i.V.mit § 325 I 3 BGB) geltend macht, später noch zu einem Anspruch auf Schadensersatz übergehen kann (BGH, NJW 1971, 1560 = LM § 325 BGB Nr. 15; vgl. schon RGZ 108, 184 [186]). Dies würde indessen im Tatsächlichen voraussetzen, daß der Kl. ausdrücklich oder durch schlüssige Handlung erklärt hätte, er mache eine Schuld der Bekl. an dem Unvermögen nicht geltend (Senat, NJW 1971, 1560 = LM § 325 BGB Nr. 15; zum ganzen auch Staudinger/Otto, BGB, 13. Bearb. [1995], § 325 Rdnr. 102). Hieran fehlt es, der Kl. brachte vielmehr die Verpflichtung der Bekl. zum Ausdruck, für ihr Vermögen, die geschuldete Verkäuferleistung zu erbringen, auch einzustehen.
Der Kl. kann nach § 440 I i.V.mit § 325 I 2 BGB (Senat, NJW 1997, 1778 = LM H. 7/1997 § 434 BGB Nr. 13 = WM 1997, 1064) bei objektiv fehlendem Interesse an der teilweisen Erfüllung Schadensersatz wegen Nichterfüllung des gesamten Kaufvertrages verlangen. Die Erwägungen der Revision zur Behebbarkeit von Rechtsmängeln gehen, wenn es bei der Feststellung des BerGer. verbleibt, den Bekl. sei die Behebung nicht möglich gewesen, ins Leere. Fehl geht die weitere Überlegung der Revision, der Kl. verlange seine bereits erbrachte Leistung zurück, dies sei im Rahmen des Schadensersatzes wegen Nichterfüllung grundsätzlich ausgeschlossen (Differenztheorie).
Der Kl. stellt eine Summe in Höhe des hingegebenen Kaufpreises den Bekl. auf der Grundlage der Rentabilitätsvermutung als Mindestschaden in Rechnung (BGHZ 71, 234 [238] = NJW 1978, 1805 = LM § 251 BGB Nr. 25). Entsprechendes gilt für den Befreiungsanspruch, der einen Teil des Mindestschadens in anderer Weise ausgleicht. Die weiteren Schadenspositionen sind ebenfalls von der Vermutung, sie wären durch die Gegenleistung aufgewogen worden, erfaßt. Dies gilt auch für die Sonderumlage, denn die Rentabilitätsvermutung ist nicht auf die Aufwendungen zur Erlangung der Gegenleistung beschränkt (im einzelnen BGHZ 114, 193 [197ff.] = NJW 1991, 2277 = LM H. 2/1992 § 249 [E] BGB Nr. 13). Die Modernisierung wäre, wenn die Bekl. ordnungsgemäß erfüllt hätten, dem Teileigentum des Kl. zugute gekommen. An einer, von seiner bisherigen Auffassung abweichenden Deutung des Erklärungstatbestandes (vgl. oben zu II 1a) ist das BerGer. im weiteren Verfahren nicht durch § 565 II ZPO gehindert.
Vertragsschluss:00/00/0000
Language(s):de/german
Data input:IFF : Institut Für Finanzdienstleistungen
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    Created: 08/07/99. Last changed: 08/07/99.
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