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Result No. 1 / 1:
ID:21291
Type:U/Judgements
Cite:EuGH Luxemburg, Urteil from 05/10/1995, Ref. Rs. C384/93, WM 1995, 1908 = NJW 1995, 2541; Celex EU-Datenbank
Area:SA/Kapitalanlage: Immobilien, Vermögensverwaltung,-beratung, time-sharing, Edelmetalle,
Keywords:Warentermingeschäfte; Telefonhandel; Vermittler; Finanzberater; EG-Binnenmarkt
Countries/Regions:04EU/European Union
Reference:Rs. C384/93
Court:EuGH Luxemburg
State:Urteil
Date of judgment:05/10/1995
Found at:WM 1995, 1908 = NJW 1995, 2541; Celex EU-Datenbank
Norm:EWGV Art. 59
Fulltext:Leitsätze:

1. Die Geltung der Vorschriften ueber den freien Dienstleistungsverkehr haengt nicht vom vorherigen Bestehen einer Beziehung zwischen einem Leistungserbringer und einem bestimmten Leistungsempfaenger ab. Artikel 59 des Vertrages ist deshalb dahin auszulegen, dass er fuer telefonische Dienstleistungsangebote gilt, die ein Leistungserbringer in anderen Mitgliedstaaten ansaessigen potentiellen Leistungsempfaengern macht.
2. Artikel 59 des Vertrages ist dahin auszulegen, dass er fuer Dienstleistungen gilt, die ein Leistungserbringer in anderen Mitgliedstaaten ansaessigen Leistungsempfaengern ohne Ortswechsel von dem Mitgliedstaat aus erbringt, in dem er ansaessig ist.
3. Artikel 59 des Vertrages betrifft nicht nur vom Staat des Leistungsempfaengers, sondern auch vom Staat des Leistungserbringers auferlegte Beschraenkungen, selbst wenn es sich dabei um Massnahmen handelt, die allgemein anwendbar und nicht diskriminierend sind und die weder bezwecken noch bewirken, dem nationalen Markt einen Vorteil gegenueber den Dienstleistungserbringern aus anderen Mitgliedstaaten zu verschaffen.
4. Das Verbot, mit potentiellen Kunden in einem anderen Mitgliedstaat ohne deren vorherige Zustimmung telefonisch Kontakt aufzunehmen, kann eine Beschraenkung des freien Dienstleistungsverkehrs darstellen, weil es den betroffenen Wirtschaftsteilnehmern ein schnelles und direktes Mittel der Werbung und der Kontaktaufnahme nimmt.
5. Das in einem Mitgliedstaat fuer die dort ansaessigen Finanzvermittler geltende Verbot, mit potentiellen Kunden in einem anderen Mitgliedstaat ohne deren vorherige Zustimmung telefonisch Kontakt aufzunehmen, um ihnen Dienstleistungen im Zusammenhang mit Kapitalanlagen in Warenterminvertraegen anzubieten, stellt zwar eine Beschraenkung des freien Dienstleistungsverkehrs dar, ist aber durch den zwingenden Grund des Allgemeininteresses, den die Aufrechterhaltung des guten Rufes des nationalen Finanzsektors darstellt, gerechtfertigt. Das ordnungsgemaesse Funktionieren der Finanzmaerkte haengt naemlich weitgehend von dem Vertrauen ab, das sie bei den Kapitalanlegern geniessen. Dieses Vertrauen haengt insbesondere davon ab, dass eine Berufsregelung besteht, die die Sachkunde und Zuverlaessigkeit der Finanzvermittler gewaehrleisten soll. Indem das Verbot des "cold calling" auf einem so spekulativen Markt wie dem Warenterminmarkt die Kapitalanleger vor einer Form der Kundenwerbung schuetzt, durch die sie im allgemeinen ueberrascht werden, bezweckt es die Gewaehrleistung der Integritaet des nationalen Finanzsektors.
Da der Mitgliedstaat, von dem aus der nicht erbetene Telefonanruf vorgenommen wird, am ehesten in der Lage ist, die Werbung potentieller Kunden in einem anderen Mitgliedstaat zu regeln, kann ihm kein Vorwurf daraus gemacht werden, dass er dies nicht dem Staat des Leistungsempfaengers ueberlaesst. Die fragliche Beschraenkung kann auch nicht als unverhaeltnismaessig angesehen werden, da das Verbot nur fuer einen Markt, auf dem Missbraeuche festgestellt worden sind, und fuer eine einzige der in Betracht kommenden Moeglichkeiten der Kontaktaufnahme mit Kunden gilt.
Parteien:

In der Rechtssache C-384/93
betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 177 EWG-Vertrag vom College van Beroep voor het Bedrijfsleven in dem bei diesem anhaengigen Rechtsstreit
Alpine Investments BV
gegen
Minister van Financiën
vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung ueber die Auslegung des Artikels 59 EWG-Vertrag
erlaesst
DER GERICHTSHOF
unter Mitwirkung des Praesidenten G. C. Rodríguez Iglesias, der Kammerpraesidenten F. A. Schockweiler, P. J. G. Kapteyn und C. Gulmann, der Richter G. F. Mancini, J. C. Moitinho de Almeida, J. L. Murray, D. A. O. Edward (Berichterstatter) und J.-P. Puissochet,
Generalanwalt: F. G. Jacobs
Kanzler: L. Hewlett, Verwaltungsraetin
unter Beruecksichtigung der schriftlichen Erklaerungen
° der Alpine Investments BV, vertreten durch die Rechtsanwaelte G. van der Wal und W. B. J. van Overbeek, zugelassen beim Hoge Raad der Nederlanden,
° der niederlaendischen Regierung, vertreten durch Rechtsberater A. Bos, Ministerium fuer Auswaertige Angelegenheiten, als Bevollmaechtigten,
° der griechischen Regierung, vertreten durch V. Kontolaimos, beigeordneter Rechtsberater im Juristischen Dienst des Staates, und V. Pelekou, Rechtsberaterin der Eingangsstufe in diesem Dienst, als Bevollmaechtigte,
° der Regierung des Vereinigten Koenigreichs, vertreten durch J. D. Colahan, Treasury Solicitor' s Department, als Bevollmaechtigten, und Barrister P. Duffy,
° der Kommission der Europaeischen Gemeinschaften, vertreten durch B. Smulders und P. van Nuffel, beide Juristischer Dienst, als Bevollmaechtigte,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhoerung der muendlichen Ausfuehrungen der Alpine Investments BV, der niederlaendischen Regierung, vertreten durch Rechtsberater J. S. van den Oosterkamp, Ministerium fuer Auswaertige Angelegenheiten, als Bevollmaechtigten, der belgischen Regierung, vertreten durch J. Devadder, Directeur d' administration im Ministerium fuer Auswaertige Angelegenheiten, als Bevollmaechtigten, der griechischen Regierung, der Regierung des Vereinigten Koenigreichs, vertreten durch Barrister C. Vajda, und der Kommission der Europaeischen Gemeinschaften in der Sitzung vom 29. November 1994,
nach Anhoerung der Schlussantraege des Generalanwalts in der Sitzung vom 26. Januar 1995,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe:

1 Das College van Beroep voor het Bedrijfsleven (im folgenden: College van Beroep) hat mit Beschluss vom 28. April 1993, beim Gerichtshof eingegangen am 6. August 1993, gemaess Artikel 177 EWG-Vertrag mehrere Fragen nach der Auslegung des Artikels 59 EWG-Vertrag zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit, in dem sich die Alpine Investments BV gegen das vom niederlaendischen Ministerium der Finanzen ihr gegenueber ausgesprochene Verbot des sogenannten "cold calling" wendet, d. h. der Praxis, mit Privatleuten ohne deren vorherige schriftliche Zustimmung telefonisch Kontakt aufzunehmen, um ihnen verschiedene Finanzdienstleistungen anzubieten.
3 Die Alpine Investments BV, die Klaegerin des Ausgangsverfahrens, ist eine in den Niederlanden ansaessige Gesellschaft niederlaendischen Rechts, die auf Warenterminvertraege spezialisiert ist.
4 Die Parteien eines Warenterminvertrags verpflichten sich, eine bestimmte Menge von Waren einer bestimmten Qualitaet zu einem Preis und zu einem Zeitpunkt, die bei Vertragsabschluss festgelegt werden, zu kaufen oder zu verkaufen. Sie haben jedoch nicht die Absicht, Waren tatsaechlich abzunehmen oder zu liefern, sondern schliessen die Vertraege allein in der Hoffnung, von Preisschwankungen zwischen dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses und dem fuer die Lieferung vorgesehenen Monat zu profitieren, was dadurch ermoeglicht wird, dass vor dem Beginn des Monats der Lieferung auf dem Terminmarkt das Umkehrgeschaeft zur ersten Transaktion vorgenommen wird.
5 Die Alpine Investments BV bietet drei Arten von Dienstleistungen auf dem Gebiet der Warenterminvertraege an: die Wertpapierverwaltung, die Anlageberatung und die Weitergabe von Kundenauftraegen an Kommissionaere, die auf Warenterminmaerkten innerhalb wie ausserhalb der Gemeinschaft taetig sind. Nach ihren Angaben hat sie nicht nur in den Niederlanden Kunden, sondern auch in Belgien, Frankreich und dem Vereinigten Koenigreich. Sie habe aber ausserhalb der Niederlande keine Niederlassung.
6 In dem im Ausgangsverfahren massgeblichen Zeitpunkt unterlagen Finanzdienstleistungen in den Niederlanden der Wet effectenhandel (Gesetz ueber den Wertpapierhandel) vom 30. Oktober 1985 (im folgenden: WEH). Nach Artikel 6 Absatz 1 dieses Gesetzes war es jedermann verboten, ohne Genehmigung bei Wertpapiertransaktionen als Vermittler taetig zu werden. Artikel 8 Absatz 1 gestattete dem Minister der Finanzen, in Sonderfaellen eine Befreiung von diesem Verbot zu erteilen. Jedoch konnte nach Artikel 8 Absatz 2 die Befreiung "eingeschraenkt und mit Auflagen verbunden werden, um unerwuenschten Entwicklungen im Wertpapierhandel entgegenzuwirken".
7 Am 6. September 1991 erteilte der Minister der Finanzen, der Beklagte des Ausgangsverfahrens, der Alpine Investments BV eine Befreiung, nach der es dieser gestattet war, Auftraege an einen bestimmten Kommissionaer, die Merill Lynch Inc., weiterzugeben. In der Befreiung war ausgefuehrt, dass die Alpine Investments BV alle Auflagen einhalten muesse, die moeglicherweise vom Minister der Finanzen in naher Zukunft bezueglich ihrer Kontakte mit potentiellen Kunden erlassen wuerden.
8 Am 1. Oktober 1991 beschloss der Minister der Finanzen, es den Finanzvermittlern, die Kapitalanlagen im ausserboerslichen Warenterminhandel vorschlagen, generell zu untersagen, mit potentiellen Kunden im Wege des "cold calling" Kontakt aufzunehmen.
9 Nach Angaben der niederlaendischen Regierung wurde diese Entscheidung getroffen, nachdem der Minister der Finanzen 1991 verschiedene Beschwerden von Kapitalanlegern erhalten habe, die mit dieser Anlageform schlechte Erfahrungen gemacht haetten. Da diese Beschwerden zum Teil von in anderen Mitgliedstaaten ansaessigen Anlegern ausgegangen seien, habe der Minister in dem Bestreben, den Ruf des niederlaendischen Finanzsektors zu schuetzen, das Verbot auf Dienstleistungen ausgedehnt, die von den Niederlanden aus in anderen Laendern angeboten wuerden.
10 Unter diesen Umstaenden verbot der Minister der Finanzen am 12. November 1991 der Alpine Investments BV, mit potentiellen Kunden telefonisch oder persoenlich in Verbindung zu treten, ausser wenn diese ihr zuvor ausdruecklich schriftlich mitgeteilt hatten, dass sie ihr eine solche Kontaktaufnahme gestatteten.
11 Die Alpine Investments BV legte gegen die Entscheidung des Ministers, mit der ihr das "cold calling" untersagt wurde, Beschwerde ein. Nachdem ihre Befreiung durch eine andere Befreiung vom 14. Januar 1992 ersetzt worden war, durch die ihr die Weitergabe von Auftraegen an einen anderen Kommissionaer, die Rodham & Renshaw Inc., gestattet wurde und die ebenfalls mit dem Verbot des "cold calling" verbunden war, reichte sie am 13. Februar 1992 eine neue Beschwerde ein.
12 Mit Entscheidung vom 29. April 1992 wies der Minister der Finanzen die Beschwerde der Alpine Investments BV zurueck. Am 26. Mai 1992 erhob diese Klage beim College van Beroep.
13 Da die Alpine Investments BV u. a. geltend gemacht hatte, dass das Verbot des "cold calling" mit Artikel 59 EWG-Vertrag unvereinbar sei, soweit es potentielle Kunden betreffe, die in anderen Mitgliedstaaten als den Niederlanden ansaessig seien, hat das College van Beroep dem Gerichtshof mehrere Fragen nach der Auslegung dieser Vorschrift vorgelegt:
1) Ist Artikel 59 EWG-Vertrag dahin auszulegen, dass er auch auf Dienstleistungen anzuwenden ist, die der Leistungserbringer von dem Mitgliedstaat aus, in dem er ansaessig ist, (potentiellen) Auftraggebern, die in einem anderen Mitgliedstaat ansaessig sind, telefonisch anbietet und anschliessend auch von dem erstgenannten Mitgliedstaat aus erbringt?
2) Bezieht sich Artikel 59 EWG-Vertrag auch auf Vorschriften und/oder Beschraenkungen, die in dem Mitgliedstaat, in dem der Leistungserbringer ansaessig ist, die rechtmaessige Ausuebung des betreffenden Berufes oder Gewerbes regeln, jedoch fuer die Ausuebung dieses Berufes oder Gewerbes in dem Mitgliedstaat, in dem (potentielle) Empfaenger der fraglichen Leistung ansaessig sind, nicht oder jedenfalls nicht in gleicher Weise und in gleichem Masse gelten und die deshalb fuer den Leistungserbringer beim Anbieten seiner Leistungen gegenueber (potentiellen) Auftraggebern, die in einem anderen Mitgliedstaat ansaessig sind, zu Behinderungen fuehren koennen, die fuer in diesem anderen Mitgliedstaat ansaessige Erbringer gleichartiger Leistungen nicht gelten?
Falls die Frage 2 zu bejahen ist:
3 a) Koennen die einer Vorschrift zur Bekaempfung unerwuenschter Entwicklungen im Wertpapierhandel zugrunde liegenden Belange des Verbraucherschutzes und des Schutzes des niederlaendischen Finanzdienstleistungssektors als zwingende Gruende des Allgemeininteresses angesehen werden, die eine Behinderung im Sinne der vorstehenden Frage rechtfertigen?
b) Ist eine Befreiungsvorschrift, die das sogenannte "cold calling" verbietet, als zum Schutze der genannten Belange objektiv erforderlich und als dem verfolgten Ziel angemessen anzusehen?
14 Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie 93/22/EWG des Rates vom 10. Mai 1993 ueber Wertpapierdienstleistungen (ABl. L 141, S. 27), selbst wenn sie auf Transaktionen auf den Warenterminmaerkten anwendbar sein sollte, erst nach dem im Ausgangsverfahren massgeblichen Zeitpunkt erlassen wurde. Auch gilt die Richtlinie 85/577/EWG des Rates vom 20. Dezember 1985 betreffend den Verbraucherschutz im Falle von ausserhalb von Geschaeftsraeumen geschlossenen Vertraegen (ABl. L 372, S. 31) weder fuer telefonisch geschlossene Vertraege noch fuer Vertraege ueber Wertpapiere (Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe e).
15 Die dem Gerichtshof vorgelegten Fragen sind demnach allein im Hinblick auf die Vorschriften des Vertrages ueber den freien Dienstleistungsverkehr zu untersuchen. Insoweit steht fest, dass die von der Alpine Investments BV erbrachten Leistungen tatsaechlich Dienstleistungen im Sinne des Artikels 60 EWG-Vertrag sind, da sie gegen Entgelt durchgefuehrt werden.
16 Mit seiner ersten und seiner zweiten Frage moechte das vorlegende Gericht im wesentlichen wissen, ob das Verbot des "cold calling" in den Anwendungsbereich des Artikels 59 EWG-Vertrag faellt. Falls dies bejaht wird, moechte es mit seiner dritten Frage wissen, ob dieses Verbot gleichwohl gerechtfertigt sein kann.
Zur ersten Frage
17 Die erste Frage des vorlegenden Gerichts umfasst zwei Teile.
18 Zunaechst geht es um die Frage, ob der Umstand, dass es sich bei den fraglichen Dienstleistungen um blosse Angebote handelt und es fuer sie noch keinen bestimmten Empfaenger gibt, der Anwendung des Artikels 59 EWG-Vertrag entgegensteht.
19 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der freie Dienstleistungsverkehr illusorisch wuerde, wenn nationale Regelungen das Anbieten von Dienstleistungen nach Belieben behindern koennten. Die Anwendbarkeit der Vorschriften ueber den freien Dienstleistungsverkehr kann demnach nicht von der vorherigen Existenz eines bestimmten Empfaengers abhaengig gemacht werden.
20 Zweitens geht es um die Frage, ob Artikel 59 Dienstleistungen erfasst, die ein Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat ansaessigen Personen telefonisch anbietet und die er ohne Ortswechsel von dem Mitgliedstaat aus erbringt, in dem er ansaessig ist.
21 Im vorliegenden Fall werden die Dienstleistungsangebote von einem in einem Mitgliedstaat ansaessigen Leistungserbringer an einen Empfaenger gerichtet, der in einem anderen Mitgliedstaat ansaessig ist. Es ergibt sich schon aus dem Wortlaut des Artikels 59, dass es sich aus diesem Grund um eine Dienstleistung im Sinne dieser Vorschrift handelt.
22 Folglich ist auf die erste Frage zu antworten, dass Artikel 59 EWG-Vertrag dahin auszulegen ist, dass er Dienstleistungen erfasst, die ein Leistungserbringer potentiellen Leistungsempfaengern, die in anderen Mitgliedstaaten ansaessig sind, telefonisch anbietet und die er ohne Ortswechsel von dem Mitgliedstaat aus erbringt, in dem er ansaessig ist.
Zur zweiten Frage
23 Die zweite Frage des vorlegenden Gerichts geht dahin, ob eine Regelung eines Mitgliedstaats, wonach in diesem ansaessige Dienstleistungserbringer in anderen Mitgliedstaaten ansaessigen potentiellen Kunden nicht unaufgefordert telefonisch ihre Dienstleistungen anbieten duerfen, eine Beschraenkung des freien Dienstleistungsverkehrs im Sinne des Artikels 59 EWG-Vertrag darstellt.
24 Vorab ist darauf hinzuweisen, dass das fragliche Verbot auf das Angebot grenzueberschreitender Dienstleistungen Anwendung findet.
25 Zur Beantwortung der Frage des vorlegenden Gerichts sind nacheinander drei Punkte zu pruefen.
26 Erstens fragt es sich, ob das Verbot, mit potentiellen Kunden in einem anderen Mitgliedstaat ohne deren vorherige Zustimmung telefonisch Kontakt aufzunehmen, eine Beschraenkung des freien Dienstleistungsverkehrs darstellen kann. In diesem Zusammenhang macht das vorlegende Gericht den Gerichtshof darauf aufmerksam, dass die Leistungserbringer, die in den Mitgliedstaaten ansaessig sind, in denen potentielle Leistungsempfaenger ihren Wohnsitz haben, nicht zwangslaeufig oder jedenfalls nicht in gleicher Weise dem gleichen Verbot unterliegen.
27 Es ist festzustellen, dass ein Verbot der im Ausgangsverfahren streitigen Art nicht allein deshalb eine Beschraenkung des freien Dienstleistungsverkehrs im Sinne des Artikels 59 darstellt, weil andere Mitgliedstaaten in ihrem Gebiet ansaessige Erbringer gleichartiger Dienstleistungen weniger strengen Vorschriften unterwerfen (in diesem Sinn Urteil vom 14. Juli 1994 in der Rechtssache C-379/92, Peralta, Slg. 1994, I-3453, Randnr. 48).
28 Ein solches Verbot nimmt den betroffenen Wirtschaftsteilnehmern jedoch ein schnelles und direktes Mittel der Werbung und der Kontaktaufnahme mit potentiellen Kunden in anderen Mitgliedstaaten. Es kann deshalb eine Beschraenkung des grenzueberschreitenden freien Dienstleistungsverkehrs darstellen.
29 Zweitens ist zu pruefen, ob sich an dieser Schlussfolgerung deshalb etwas aendern kann, weil das in Rede stehende Verbot von dem Mitgliedstaat ausgeht, in dem der Leistungserbringer ansaessig ist, und nicht von dem Mitgliedstaat, in dem der potentielle Leistungsempfaenger ansaessig ist.
30 Artikel 59 Absatz 1 EWG-Vertrag verbietet Beschraenkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Gemeinschaft allgemein. Folglich betrifft diese Vorschrift nicht nur vom Staat des Leistungsempfaengers, sondern auch vom Staat des Leistungserbringers auferlegte Beschraenkungen. Wie der Gerichtshof wiederholt entschieden hat, kann sich ein Unternehmen gegenueber dem Staat, in dem es seinen Sitz hat, auf den freien Dienstleistungsverkehr berufen, sofern die Leistungen an Leistungsempfaenger erbracht werden, die in einem anderen Mitgliedstaat ansaessig sind (Urteil vom 17. Mai 1994 in der Rechtssache C-18/93, Corsica Ferries, Slg. 1994, I-1783, Randnr. 30, Urteil Peralta, a. a. O., Randnr. 40, und Urteil vom 5. Oktober 1994 in der Rechtssache C-381/93, Kommission/Frankreich, Slg. 1994, I-5145, Randnr. 14).
31 Daraus folgt, dass das Verbot des "cold calling" nicht allein deshalb dem Anwendungsbereich des Artikels 59 EWG-Vertrag entzogen ist, weil es von dem Staat erlassen worden ist, in dem der Dienstleistungserbringer ansaessig ist.
32 Schliesslich sind einige Argumente zu pruefen, die von den Regierungen der Niederlande und des Vereinigten Koenigreichs vorgetragen worden sind.
33 Diese machen geltend, das fragliche Verbot sei dem Anwendungsbereich des Artikels 59 EWG-Vertrag entzogen, weil es allgemein anwendbar und nicht diskriminierend sei und weil es nicht bezwecke oder bewirke, dem nationalen Markt einen Vorteil gegenueber den Dienstleistungserbringern aus anderen Mitgliedstaaten zu verschaffen. Da es nur die Art und Weise betreffe, in der die Dienstleistungen angeboten wuerden, entspreche es vielmehr den nichtdiskriminierenden Massnahmen, die Verkaufsmodalitaeten regelten und die nach der Rechtsprechung Keck und Mithouard (Urteil vom 24. November 1993 in den Rechtssachen C-267/91 und C-268/91, Slg. 1993, I-6097, Randnr. 16) nicht in den Anwendungsbereich des Artikels 30 EWG-Vertrag fielen.
34 Diesen Argumenten ist nicht zu folgen.
35 Zwar trifft es zu, dass ein Verbot, wie es dem Ausgangsverfahren zugrunde liegt, allgemeinen und nichtdiskriminierenden Charakter hat und dass es weder bezweckt noch bewirkt, dem nationalen Markt einen Vorteil gegenueber den Dienstleistungserbringern aus anderen Mitgliedstaaten zu verschaffen; doch aendert dies nichts daran, dass es, wie oben (Randnr. 28) ausgefuehrt, eine Beschraenkung des grenzueberschreitenden freien Dienstleistungsverkehrs darstellen kann.
36 Ein solches Verbot entspricht nicht den Regelungen der Verkaufsmodalitaeten, die nach der Rechtsprechung Keck und Mithouard dem Anwendungsbereich des Artikels 30 EWG-Vertrag entzogen sind.
37 Nach dieser Rechtsprechung ist die Anwendung nationaler Bestimmungen, die im Gebiet des Einfuhrmitgliedstaats bestimmte Verkaufsmodalitaeten beschraenken oder verbieten, auf Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten nicht geeignet, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu behindern, sofern diese Bestimmungen erstens fuer alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gelten, die ihre Taetigkeit im Inland ausueben, und sofern sie zweitens den Absatz der inlaendischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsaechlich in der gleichen Weise beruehren. Der Grund hierfuer liegt darin, dass die Anwendung derartiger Regelungen nicht geeignet ist, den Marktzugang fuer diese Erzeugnisse im Einfuhrmitgliedstaat zu versperren oder staerker zu behindern, als sie dies fuer inlaendische Erzeugnisse tut.
38 Ein Verbot wie das hier streitige geht aber von dem Mitgliedstaat aus, in dem der Leistungserbringer ansaessig ist, und betrifft nicht nur die Angebote, die er Leistungsempfaengern gemacht hat, die im Gebiet dieses Staates ansaessig sind oder sich dorthin begeben, um Dienstleistungen entgegenzunehmen, sondern auch die Angebote an Leistungsempfaenger in einem anderen Mitgliedstaat. Aus diesem Grund beeinflusst es unmittelbar den Zugang zum Dienstleistungsmarkt in den anderen Mitgliedstaaten. Es ist daher geeignet, den innergemeinschaftlichen Dienstleistungsverkehr zu behindern.
39 Somit ist auf die zweite Frage zu antworten, dass eine Regelung eines Mitgliedstaats, wonach in diesem ansaessige Dienstleistungserbringer in anderen Mitgliedstaaten ansaessigen potentiellen Kunden nicht unaufgefordert telefonisch ihre Dienstleistungen anbieten duerfen, eine Beschraenkung des freien Dienstleistungsverkehrs im Sinne des Artikels 59 EWG-Vertrag darstellt.
Zur dritten Frage
40 Mit seiner dritten Frage moechte das vorlegende Gericht wissen, ob zwingende Gruende des Allgemeininteresses das Verbot des "cold calling" rechtfertigen und ob dieses Verbot als objektiv erforderlich und dem verfolgten Ziel angemessen anzusehen ist.
41 Die niederlaendische Regierung traegt vor, dass das Verbot des "cold calling" im ausserboerslichen Warenterminhandel zum einen den Ruf der niederlaendischen Finanzmaerkte und zum anderen die Kapitalanleger schuetzen solle.
42 Zunaechst ist darauf hinzuweisen, dass die Finanzmaerkte eine bedeutende Rolle bei der Kapitalbeschaffung fuer die Wirtschaftsteilnehmer spielen und dass ihr ordnungsgemaesses Funktionieren angesichts der spekulativen Natur und der Komplexitaet der Warenterminvertraege weitgehend von dem Vertrauen abhaengt, das sie bei den Kapitalanlegern geniessen. Dieses Vertrauen haengt insbesondere davon ab, dass Berufsregelungen bestehen, die die Sachkunde und Zuverlaessigkeit der Finanzvermittler, auf die die Kapitalanleger in besonderem Mass angewiesen sind, gewaehrleisten sollen.
43 Sodann trifft es zwar zu, dass der Schutz der Verbraucher im Gebiet der anderen Mitgliedstaaten an sich nicht den niederlaendischen Behoerden obliegt; doch aendert dies nichts daran, dass sich Art und Umfang des Verbraucherschutzes unmittelbar auf den guten Ruf der niederlaendischen Finanzdienstleistungen auswirken.
44 Die Aufrechterhaltung des guten Rufes des nationalen Finanzsektors kann daher einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses darstellen, der Beschraenkungen des freien Verkehrs von Finanzdienstleistungen rechtfertigt.
45 Hinsichtlich der Verhaeltnismaessigkeit der in Rede stehenden Beschraenkung ist daran zu erinnern, dass die Anforderungen an Dienstleistungserbringer nach staendiger Rechtsprechung geeignet sein muessen, die Verwirklichung des mit ihnen angestrebten Ziels zu gewaehrleisten, und dass sie nicht ueber das zur Erreichung dieses Ziels Erforderliche hinausgehen duerfen (Urteil vom 25. Juli 1991 in der Rechtssache C-288/89, Collectieve Antennevoorziening Gouda u. a., Slg. 1991, I-4007, Randnr. 15).
46 Wie die niederlaendische Regierung zu Recht dargelegt hat, ist die Privatperson, die im allgemeinen durch das "cold calling" ueberrascht wird, nicht in der Lage, sich ueber die Risiken, die sich aus der Art der ihr vorgeschlagenen Transaktionen ergeben, zu informieren oder die Qualitaet und den Preis der Dienstleistungen des Anrufers mit den Angeboten der Konkurrenten zu vergleichen. Da der Warenterminmarkt aeusserst spekulativ und fuer wenig erfahrene Kapitalanleger schwer durchschaubar ist, war es erforderlich, sie vor den aggressivsten Methoden der Kundenwerbung zu schuetzen.
47 Die Alpine Investments BV traegt jedoch vor, dass das Verbot des "cold calling" durch die niederlaendische Regierung nicht erforderlich sei, weil sich der Mitgliedstaat des Leistungserbringers auf die vom Mitgliedstaat des Leistungsempfaengers ausgeuebte Kontrolle verlassen muesse.
48 Dieses Vorbringen ist zurueckzuweisen. Denn der Mitgliedstaat, von dem aus der Telefonanruf vorgenommen wird, ist am ehesten in der Lage, das "cold calling" zu regeln. Selbst wenn der Staat des Leistungsempfaengers das "cold calling" untersagen oder es an bestimmte Voraussetzungen knuepfen will, ist er nicht in der Lage, Telefonanrufe aus einem anderen Mitgliedstaat ohne die Mitwirkung der zustaendigen Behoerden dieses Staates zu verhindern oder zu kontrollieren.
49 Folglich kann ein Verbot des "cold calling", das von dem Mitgliedstaat erlassen wird, von dem aus der Telefonanruf vorgenommen wird, und das das Vertrauen der Kapitalanleger in die Finanzmaerkte dieses Staates schuetzen soll, nicht als ungeeignet zur Verwirklichung des Ziels der Gewaehrleistung der Integritaet dieser Finanzmaerkte angesehen werden.
50 Die Alpine Investments BV wendet ferner ein, dass ein allgemeines Verbot der telefonischen Werbung potentieller Kunden zur Verwirklichung der von den niederlaendischen Behoerden verfolgten Ziele nicht erforderlich sei. Zum wirksamen Schutz der Verbraucher wuerde es ausreichen, wenn die Maklergesellschaften die unaufgefordert vorgenommenen Telefonanrufe aufzeichnen muessten. Solche Vorschriften seien im uebrigen im Vereinigten Koenigreich von der Securities and Futures Authority (Behoerde zur Kontrolle der Wertpapier- und Termingeschaefte) erlassen worden.
51 Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Wie der Generalanwalt unter Nummer 88 seiner Schlussantraege zu Recht ausgefuehrt hat, bedeutet der Umstand, dass ein Mitgliedstaat weniger strenge Vorschriften erlaesst als ein anderer Mitgliedstaat, nicht, dass dessen Vorschriften unverhaeltnismaessig und folglich mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar sind.
52 Die Alpine Investments BV macht schliesslich geltend, dass das Verbot des "cold calling" wegen seiner allgemeinen Geltung das Verhalten der einzelnen Unternehmen nicht beruecksichtige und infolgedessen diejenigen Unternehmen unnoetig belaste, deren Verhalten niemals zu Beschwerden von Verbrauchern Anlass gegeben habe.
53 Auch dieses Vorbringen ist zurueckzuweisen. Wuerde man das "cold calling" nur bestimmten Unternehmen wegen ihres Verhaltens in der Vergangenheit verbieten, so koennte dies zur Erreichung des Ziels, das Vertrauen der Kapitalanleger in den nationalen Wertpapiermarkt im allgemeinen wiederherzustellen und zu erhalten, nicht ausreichen.
54 Jedenfalls hat die in Rede stehende Regelung eine begrenzte Tragweite. Zunaechst verbietet sie nur die telefonische oder persoenliche Kontaktaufnahme mit potentiellen Kunden ohne deren vorherige schriftliche Zustimmung, so dass die anderen Methoden der Kontaktaufnahme zulaessig bleiben. Sodann betrifft diese Massnahme die Beziehungen zu potentiellen Kunden, nicht aber zu den Personen, die bereits Kunden sind; diese haben weiterhin die Moeglichkeit, neuen Kontakten schriftlich zuzustimmen. Schliesslich ist das Verbot nicht erbetener Telefonanrufe auf den Markt beschraenkt, auf dem Missbraeuche festgestellt worden sind, im vorliegenden Fall auf den Markt fuer Warenterminvertraege.
55 Nach alledem steht fest, dass das Verbot des "cold calling" nicht ausser Verhaeltnis zu dem mit ihm verfolgten Ziel steht.
56 Somit ist auf die dritte Frage zu antworten, dass Artikel 59 EWG-Vertrag einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die es zum Schutz des Vertrauens der Kapitalanleger in die nationalen Finanzmaerkte untersagt, in anderen Mitgliedstaaten ansaessigen potentiellen Kunden unaufgefordert telefonisch Dienstleistungen im Zusammenhang mit Kapitalanlagen in Warenterminvertraegen anzubieten.
Kostenentscheidung:

Kosten
57 Die Auslagen der belgischen, der niederlaendischen und der griechischen Regierung, der Regierung des Vereinigten Koenigreichs und der Kommission der Europaeischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklaerungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfaehig. Fuer die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhaengigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.
Tenor:

Aus diesen Gruenden
hat
DER GERICHTSHOF
auf die ihm vom College van Beroep mit Beschluss vom 28. April 1993 vorgelegten Fragen fuer Recht erkannt:
1) Artikel 59 EWG-Vertrag ist dahin auszulegen, dass er Dienstleistungen erfasst, die ein Leistungserbringer potentiellen Leistungsempfaengern, die in anderen Mitgliedstaaten ansaessig sind, telefonisch anbietet und die er ohne Ortswechsel von dem Mitgliedstaat aus erbringt, in dem er ansaessig ist.
2) Eine Regelung eines Mitgliedstaats, wonach in diesem ansaessige Dienstleistungserbringer in anderen Mitgliedstaaten ansaessigen potentiellen Kunden nicht unaufgefordert telefonisch ihre Dienstleistungen anbieten duerfen, stellt eine Beschraenkung des freien Dienstleistungsverkehrs im Sinne des Artikels 59 EWG-Vertrag dar.
3) Artikel 59 EWG-Vertrag steht einer nationalen Regelung nicht entgegen, die es zum Schutz des Vertrauens der Kapitalanleger in die nationalen Finanzmaerkte untersagt, in anderen Mitgliedstaaten ansaessigen potentiellen Kunden unaufgefordert telefonisch Dienstleistungen im Zusammenhang mit Kapitalanlagen in Warenterminvertraegen anzubieten.
Vertragsschluss:00/00/0000
Language(s):de/german
Data input:IFF : Institut Für Finanzdienstleistungen
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    Created: 05/09/96. Last changed: 05/09/96.
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