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ID:20037
Type:U/Judgements
Cite:BGH Karlsruhe, Urteil from 11/24/1988, Ref. III ZR 188/87, NJW 1989, 222 = ZIP 1988, 1530
Area:KH/Immobilienfinanzierung, Baufinanzierung, Hypothekenkredit, Bausparen, Lebensversicherung
Keywords:Tilgungsverrechnungsklausel; Transparenzgebot
Countries/Regions:04EUDE/Germany
Reference:III ZR 188/87
Court:BGH Karlsruhe
State:Urteil
Date of judgment:11/24/1988
Found at:NJW 1989, 222 = ZIP 1988, 1530
Norm:AGBG § 8 ; AGBG § 9 ; HGB § 20
Fulltext:Die AGB-Regelung für ein Hypothekendarlehen, nach der die in der gleichbleibenden Jahresleistung enthaltenen Zinsen jeweils nach dem Stand des Kapitals am Schluß des vergangenen Tilgungsjahres berechnet werden, ist wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot gem. § 9 AGB-Gesetz unwirksam, wenn erst in einer gesonderten späteren Klausel vierteljährliche Teilleistungen vorgesehen sind und der effektive Jahreszins oder die Gesamtbelastung im Vertrag nicht angegeben werden.
BGH, Urteil v. 24.11.1988 – III ZR 188/87 (Stuttgart)
Zum Sachverhalt:
Die Bekl., eine Hypothekenbank, gewährte den Kl. im Mai 1977 zwei Grundschulddarlehen über 113000 DM und 13000 DM. Bei Fälligkeit am 1. 4. 1982 wurden diese Darlehen bis zum 31. 3. 1987 verlängert, außerdem ein weiterer Darlehensvertrag über 12650 DM mit gleicher Laufzeit geschlossen. Für alle drei Darlehen wurde jeweils der vereinbarte Nominalzins von 6,5 % bzw. 8 % ebenso wie der Tilgungssatz von 1 % in Vertragsformulare der Bekl. eingetragen; darin hatten die Bestimmungen über "Verzinsung, Tilgung, Nebenleistungen" 1977 folgende - 1982 nur unwesentlich geänderte - Fassung:
I. Das Darlehen ist vom Tag der Auszahlung an mit ... v. H. jährlich zu verzinsen und vom 1. Januar ... an mit ... v. H. jährlich zuzüglich der durch die fortschreitende Minderung des Kapitals ersparten Zinsen zu tilgen. Von diesem Zeitpunkt ab ist somit zur Verzinsung und Tilgung eine gleichbleibende Jahresleistung von ... v. H. des ursprünglichen Darlehensbetrages zu entrichten. Die in der Jahresleistung enthaltenen Zinsen werden jeweils nach dem Stand des Kapitals am Schluß des vergangenen Tilgungsjahres berechnet.
III. Die vorstehenden Leistungen sind in vierteljährlichen Teilbeträgen zu entrichten, und zwar jeweils am 1. 3., 1. 6., 1. 9. und 1. 12. für das laufende Kalendervierteljahr.
Die Kl. halten die AGB-Regelung über die Zinsberechnung jeweils nach dem Kapitalstand des Vorjahres für unwirksam. Auf ihre Klage hat das LG Stuttgart (NJW 1987, 193 = WM 1986, 1432) festgestellt, "daß bei den von den Kl. aufgenommenen Darlehen ... für die Berechnung der Zinsen während der gesamten Vertragsdauer der jeweilige Tilgungsstand maßgeblich ist, wie er sich bei sofortiger Verrechnung der in der erbrachten Quartalsraten jeweils enthaltenen Tilungsleistungen ergibt." Dagegen hat die Bekl. Berufung eingelegt. Während des Berufungsverfahrens haben die Kl. die Darlehen fristgerecht zum 31. 3. 1987 in der von der Bekl. geforderten Höhe zurückgezahlt, nachdem die Bekl. sich vorher bereit erklärt hatte, im Falle einer rechtskräftigen Entscheidung zugunsten der Kl. den Restschuldenstand rückwirkend neu zu berechnen und den Unterschiedsbetrag zurückzuerstatten. Das OLG Stuttgart (WM 1987, 838) hat die Klage abgewiesen. Die Revision hatte Erfolg.
Aus den Gründen:
I. Das BerGer. hat zur Begründung der Klageabweisung ausgeführt:
Die Klage sei zulässig, weil die begehrte Feststellung eine endgültige Klärung der zwischen den Parteien streitigen Rechtsfragen herbeiführe und die Bekl. danach die sich daraus ergebenden Ansprüche erfüllen werde. Die Klage sei jedoch unbegründet: Die streitige Zinsberechnungsklausel sei weder überraschend (§ 3 AGB-Gesetz) noch unklar (§ 5 AGB-Gesetz). Auch liege in der Vereinbarung des Nominalzinssatzes keine vorrangige Individualabrede (§ 4 AGB-Gesetz). Der richterlichen Inhaltskontrolle gem. § 9 AGB-Gesetz sei dei Klausel zwar nicht nach § 8 AGB-Gesetz entzogen. Sie halte ihr jedoch stand, weil die vereinbarte Zinsberechnung weder mit wesentlichen Grundgedanken des Darlehensrechts unvereinbar sei noch den Darlehensnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteilige: Sie verletze das Transparenzgebot nicht und könne sich auf § 20 II HypothekenbankG stützen. Diese Norm gelte weiter, obwohl die Gründe, die zu ihrer Schaffung geführt hätten, nicht mehr beständen; eine Korrektur sei aber Sache des Gesetzgebers.
Diese Begründung des BerGer. hält der rechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand.
II. 1. Nach den Vereinbarungen der Parteien enthielten die von dem Kl. als Darlehensnehmer in gleichbleibender Höhe zu erbringenden Zahlungen jeweils neben den Zinsen auch einen Tilgungsanteil, der zu Beginn 1 % bzw. 1,25 % der Darlehenssumme betragen und später jeweils um den Betrag ansteigen sollte, um den die Zinsen sanken. Die Tilgungsanteile der vierteljährlichen Zahlungen waren stets sofort zu verrechnen; denn jede Tilgungsleistung führt gem. § 362 BGB im Zeitpunkt der Zahlung zu einer entsprechenden Verminderung des noch geschuldeten Darlehenskapitals. Darüber besteht zwischen den Parteien Einigkeit. Die AGB der Bekl. enthielten insoweit keine Abweichung von der gesetzlichen Regelung.
Im Streit ist die Frage, ob sich - wie der Kl. meint - die vierteljährlich eintretende Verminderung des Darlehenskapitals jeweils auch sofort auf die Höhe der für die Folgezeit geschuldeten Zinsen auswirken mußte oder ob die Darlehensgeberin die Zinsen noch während des ganzen Jahres nach dem Kapitalstand am Schluß des Vorjahres berechnen durfte; dieses Recht nimmt die Bekl. für sich in Anspruch und beruft sich auf die entsprechende Zinsberechnungsklausel im letzten Jahr des Abs. 1 der Darlehensbedingungen.
2. Diese Klausel erfüllt die Voraussetzungen des § 1 AGB-Gesetz. Die Bekl. hat sie für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert. Unstreitig ist die Klausel auch gem. § 2 AGB-Gesetz Vertragsbestandteil geworden.
Die Auffassung des Kl., gem. § 4 AGB-Gesetz komme der streitigen Klausel keine Bedeutung zu, weil die Parteien mit der Vereinbarung des in das Darlehensformular eingetragenen Zinssatzes eine vorrangige Individualabrede getroffen hätten, ist vom BerGer. mit Recht abgelehnt worden. Der individuell vereinbarte Nominalzins ist nur ein - wenn auch zentraler - Berechnungsfaktor für die Höhe der vom Darlehensnehmer für die Kapitalnutzung zu erbringenden Vergütung; er ist nicht mit dem effektiven Jahreszins gleichzusetzen. Hierfür sind vielmehr üblicherweise weitere, der Parteivereinbarung unterliegende Faktoren mitbestimmend, wie z. B. die Zahlungstermine. Der Kl. konnte nicht davon ausgehen, daß die vorformulierte Darlehensurkunde hier überhaupt keine weiteren Bestimmungen über die Zinsberechnung enthielt oder daß grundsätzlich solche AGB-Bestimmungen aufgrund der individuellen Festsetzung des Nominalzinses ihre Bedeutung verlieren sollten.
3. Ob das BerGer. die Voraussetzungen der §§ 3 und 5 AGB-Gesetz mit Recht verneint hat, kann dahinstehen. Selbst wenn man nämlich davon ausgeht, daß objektive Auslegungszweifel gem. § 5 AGB-Gesetz nicht bestehen, die Klausel vielmehr eindeutig die von der Bekl. vorgenommene Zinsberechnung rechtfertigt, und wenn man eine solche Regelung auch nicht als ungewöhnlich i. S. des § 3 AGB-Gesetz werten will, muß doch jedenfalls die Inhaltskontrolle nach § 9 AGB-Gesetz zur Unwirksamkeit der Klausel führen (zum Verhältnis der §§ 3, 5 AGB-Gesetz zu § 9 AGB-Gesetz vgl. Lindacher, in: Wolf-Horn-Lindacher, AGB-Gesetz, 1. Aufl., § 3 Rdnrn. 6, 7 und § 5 Rdnrn. 2, 3; Ulmer, in: Ulmer-Brandner-Hensen, AGB-Gesetz, 5. Aufl., § 3 Rdnr. 5 und § 5 Rdnr. 4).
4. Die Kontrollfähigkeit der Klausel nach § 8 AGB-Gesetz hat das BerGer. mit Recht bejaht.
a) Ausgenommen von der Inhaltskontrolle sind zum einen nämlich die AGB-Bestimmungen, die rein deklaratorisch den Inhalt einer ohnehin geltenden gesetzlichen Regelung wiederholen (Senat, BGHZ 91, 55 (57)
= NJW 1984, 2161 m. w. Nachw.). Dazu gehört die streitige AGB-Klausel nicht: Ohne sie wäre die Bekl. nicht berechtigt, den vereinbarten Zinssatz jeweils für das ganze Jahr - ohne Rücksicht auf die während des Jahres erbrachten Tilgungsleistungen - nach dem Kontostand am Schluß des Vorjahres zu berechnen. Das Gesetz enthält keine entsprechende Regelung. Im Gegenteil ergibt sich, obwohl eine ausdrückliche gesetzliche Bestimmung fehlt, aus dem Rechtscharakter des Darlehens als gegenseitigem Vertrag, daß die vereinbarten Zinsen als Gegenleistung für die Kapitalnutzung nur für die Nutzungsdauer nach Maßgabe der noch offenen Kapitalschuld zu entrichten sind (Canaris, NJW 1987, 610, 615).
Auch § 20 II HypothekenbankG, spricht nicht gegen eine Inhaltskontrolle der streitigen AGB-Klausel. Die Vorschrift trifft nicht etwa selbst eine entsprechende gesetzliche Regelung, sondern erlaubt nur deren vertragliche Vereinbarung. Abzulehnen ist die im Schrifttum vertretenen Auffassung, in analoger Anwendung des § 8 AGB-Gesetz seien auch solche AGB-Klauseln nicht kontrollfähig, die durch eine tatbestandlich klar fixierte Erlaubnisnorm wie § 20 II HypothekenbankG gedeckt seien (Canaris, NJW 1987, 611). Diese Auffassung entspricht weder dem Wortlaut noch dem Sinn des § 8 AGB-Gesetz: Auch eine AGB-Klausel, die nur einen vom Gesetz ausdrücklich eröffneten Gestaltungsspielraum nutzt, "ergänzt" die gesetzliche Regelung i. S. des § 8 AGB-Gesetz. Die einseitige Ausübung vertraglicher Gestaltungsfreiheit durch AGB unterliegt besonderen inhaltlichen Begrenzungen; deren Einhaltung zu gewährleisten, ist Aufgabe der Inhaltskontrolle nach §§ 9-11 AGB-Gesezt (vgl. Löwe, NJW 1987, 938; Kolhosser, ZIP 1986, 1435; ferner BGHZ 100, 157 (179) = NJW 1987, 1931 = LM § 651a BGB Nr. 4, zu § 651h BGB).
b) § 8 AGB-Gesetz läßt zum anderen keine Inhaltskontrolle über solche AGB-Bestimmungen zu, die Art und Umfang der vertraglichen Hauptleistung und den dafür zu zahlenden Preis unmittelbar regeln. Deren Festlegung ist grundsätzlich Sache der Vertragsparteien; es gibt vielfach gar keine gesetzliche Preisregelung, die bei Unwirksamkeit der vertraglichen Regelung gem. § 6 II AGB-Gesetz an deren Stelle treten könnte. Eine Ausnahme gilt aber für Nebenbestimmungen, die zwar mittelbare Auswirkungen auf Preis und Leistung haben, an deren Stelle aber, wenn eine wirksame vertragliche Regelung fehlt, dispositives Gesetzesrecht treten kann. Solche Nebenabreden unterliegen gem. § 8 AGB-Gesetz der Inhaltskontrolle nach den §§ 9-11 AGB-Gesetz (BGHZ 93, 358 (360, 361) = NJW 1985, 3013).
Die hier streitige AGB-Klausel gehört zu den kontrollfähigen Nebenabreden. Beim Darlehensvertrag stellt der Zins zwar die Hauptleistung des Darlehensnehmers dar. Die Vereinbarung der Zinshöhe unterliegt daher - abgesehen von § 138 BGB - grundsätzlich keiner gerichtlichen Kontrolle. Die streitige Klausel regelt aber nicht den zu zahlenden Zinssatz. Sie ergänzt nur die darüber getroffene individuelle Vereinbarung, und zwar in einer Weise, die von der sonst geltenden gesetzlichen Regelung abweicht und zu einem höheren effektiven Jahreszins führt. Eine solche Klausel unterliegt nach dem Schutzzweck des § 8 AGB-Gesetz der Inhaltskontrolle. Das Gesetz geht nämlich davon aus, daß der Durchschnittskunde der Vereinbarung über die Hauptleistung mehr Aufmerksamkeit widmet als den Nebenpunkten (Senat, BGHZ 95, 362 (370) = NJW 1986, 46). So wird der Darlehensnehmer sein Augenmerk in erster Linie auf den vereinbarten Nominalzinssatz richten. Dagegen besteht die Gefahr, daß ihm eine AGB-Klausel, die erst im Zusammenspiel mit einer anderen Vertragsregelung zu einer Verteuerung des Kredits führt, überhaupt nicht oder nicht in ihrer Bedeutung auffällt. Eine solche Klausel birgt damit für den Kunden gerade die Gefahr, die das AGB-Gesetz abwenden will (Senat, BGHZ 95, 362 (371) = NJW 1986, 46).
5. Der Inhaltskontrolle nach § 9 AGB-Gesetz hält die streitige Klausel nicht stand.
Der Darlehensnehmer wird dadurch benachteiligt, daß die Zinsen jeweils bis zum Jahresende trotz zwischenzeitlich fortschreitender Tilgung noch nach dem Kapitalstand am Schluß des Vorjahres berechnet werden. Eine solche Regelung erhöht den effektiven Jahreszins, ohne dem Darlehensnehmer irgendeinen Vorteil als Ausgleich zu bieten.
§ 9 AGB-Gesetz setzt jedoch weiter voraus, daß die Benachteiligung des Kunden gegen Treu und Glauben verstößt und unangemessen ist. Dabei ist hier zu unterscheiden:
a) Die Zinsberechnung des Bekl. ist nicht bereits deshalb zu mißbilligen, weil sie von der - ungeschriebenen - Regel des Darlehensrechts abweicht, daß der vereinbarte Zinssatz grundsätzlich jeweils von der tatsächlich noch bestehenden Kapitalschuld berechnet wird (vgl. oben zu II 4 a). Diese Regel gehört nicht zu den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, die nach § 9 II Nr. 1 AGB-Gesetz durch AGB nicht abbedungen werden dürfen. Banken berechnen ihre Kreditzinsen nicht selten nach einem fingierten Kapitalbestand (vgl. Krümmel, Bankzinsen, S. 62, 74, 82 ff.), ohne daß die Rechtsprechung entsprechende AGB-Regelungen grundsätzlich mißbilligt hätte. So werden die Zinsen bei Ratenkrediten üblicherweise für die gesamte Laufzeit nach einem Monatszinssatz vom ursprünglichen Darlehenskapitalbetrag berechnet, obwohl die zu verzinsende Kapitalschuld sich aufgrund der laufenden Ratenzahlungen ständig vermindert. Fingierte Zinsrechnungsfaktoren können hingenommen werden, wenn ihre Auswirkungen für den Kunden hinreichend erkennbar gemacht werden, wie es beim Ratenkreditvertrag durch die Angabe der Gesamtbelastung und des effektiven Jahreszinssatzes geschieht.
Auch die AGB einer Hypothekenbank können nicht deswegen allein beanstandet werden, weil die Bank sich darin das Recht ausbedingt, den vereinbarten Nominalzins zeitweise von einem fingierten Kapitalstand zu berechnen, und so eine erhöhte Effektivverzinsung erreicht. Zur inhaltlichen Rechtfertigung einer derartigen Zinsberechnungsmethode können sich Hypothekenbanken vielmehr auf § 20 II HypothekenbankG berufen. Diese Vorschrift beschränkt sich in ihrem Wortlaut zwar auf das Verbot, Jahreszinsen von einem höheren Betrag als von dem für den Schluß des Vorjahres sich ergebenden Restkapital zu berechnen. Im Gegenschluß ergibt sich daraus aber zugleich positiv ein entsprechender Gestaltungsfreiraum. Wie der Gesetzesbegründung (RT-Dr 10/106, S. 40) zu entnehmen ist, war es bereits bei Erlaß des Hypothekenbankgesetzes üblich, die Jahresleistungen in halb- oder vierteljährlichen Teilzahlungen zu erbringen, trotzdem aber die Zinsen für das ganze Jahr nach dem Kapitalstand am Schluß des Vorjahres zu berechnen. Das Recht der Hypothekenbanken hierzu sollte in § 20 II HypothekenbankG klargestellt werden (Gesetzesbegründung, RT-Dr 10/106, S. 40). Diese Klarstellung kann auch nicht auf Individualvereinbarungen beschränkt werden; sonst bliebe die Vorschrift ohne wesentliche praktische Bedeutung; denn Hypothekenbanken setzen ihre Vertragsbedingungen üblicherweise - bei Erlaß des Hypothekenbankgesetzes wie heute - einseitig durch AGB fest (vgl. § 15 HypothekenbankG). Durch § 20 II HypothekenbankG werden AGB, die von dem gewährten Gestaltungsfreiraum Gebrauch machen, zwar nicht der Inhaltskontrolle nach § 9 AGB-Gesetz völlig entzogen (vgl. oben zu II 4 a); § 20 II HypothekenbankG kann aber bei der Prüfung, ob eine bestimmte AGB-Regelung den Kunden entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligt, nicht unberücksichtigt bleiben.
Das ändert sich auch nicht dadurch, daß der durch § 20 II HypothekenbankG eröffnete Gestaltungsfreiraum inzwischen seine innere Rechtfertigung weitgehend verloren hat. Diese Rechtfertigung sah der Gesetzgeber bei Erlaß des Hypothekenbankgesetzes in den unverhältnismäßigen Schwierigkeiten, die sich ergaben, wenn für jede Teilzahlung Amortisation und Zinsen besonders berechnet werden müssen (Gesetzesbegründung, RT-Dr 10/106, S. 40). Diese Schwierigkeiten bestehen unstreitig nicht mehr, seit alle Hypothekenbanken EDV-Anlagen zur Zinsberechnung benutzen. Diese tatsächliche Entwicklung mag das Gewicht des § 20 II HypothekenbankG im Rahmen der nach § 9 AGB-Gesetz gebotenen Abwägung vermindern; sie rechtfertigt es aber nicht, die Vorschrift, zu deren Änderung der Gesetzgeber auch bei der jüngsten Novellierung des Gesetzes (Gesetz zur Änderung des HypothekenbankG v. 8. 6. 1988, BGBl I, 710) keinen Anlaß gesehen hat, gänzlich unberücksichtigt zu lassen.
b) Die streitige Klausel ist hier aber deshalb zu mißbilligen, weil die AGB der Bekl. die zinssteigernde Wirkung dieser Klausel für den Kunden nicht hinreichend deutlich erkennbar werden lassen.
Treu und Glauben verpflichten den Verwender von AGB, die Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen (Brandner, in: Ulmer-Bandner-Hensen, AGB-Gesetz, 5. Aufl., § 9 Rdnr. 77). Ein Verstoß gegen dieses "Transparenzgebot" kann zur Unwirksamkeit gem. § 9 I AGB-Gesetz führen (vgl. BGH, NJW 1984, 171 (172) und NJW 1987, 1886 = LM § 3 AGBG Nr. 18 = WM 1987, 755 (756) = ZIP 1987, 713 (715); BGHZ 97, 65 (73) = NJW 1986, 1335 = LM § 535 BGB Nr. 1024; Köndgen, NJW 1987, 164; M. Wolf, EWiR § 9 AGB-G 11/87, 635; s. auch Bader, BB 1986, 545). Wenn eine Nebenabrede ihre preiserhöhende Wirkung nicht hinreichend erkennbar werden läßt, sondern sie verschleiert, kann gerade das den Ausschlag geben, die Regelung als eine unangemessene Benachteiligung des Kunden zu bewerten.
Abzustellen ist dabei - ebenso wie bei § 3 AGB-Gesetz - nicht auf die Erkenntnismöglichkeiten des konkreten Vertragspartners, auch nicht auf das Verständnis eines Fachmanns, insbesondere eines Juristen, der sich eingehend mit den betreffenden AGB beschäftigt hat. Maßgebend sind vielmehr die Verständnismöglichkeiten des typischerweise bei Verträgen der geregelten Art zu erwartenden Durchschnittskunden (vgl. BGH, NJW 1981, 117 (118); NJW 1985, 850 (851); BGHZ 102, 152 (159) = NJW 1988, 558 = BGHRAGBGG § 3 - Grundschuldsicherungsabrede 4). Verträge über Hypothekendarlehen werden in zunehmendem Maße auch von Privatpersonen abgeschlossen, die erst- oder einmalig Grundbesitz erwerben und über keine Finanzierungserfahrungen verfügen. Eine Hypothekenbank muß daher ihre AGB möglichst so gestalten, daß auch solchen Kunden die preiserhöhende oder sie sonst benachteiligende Wirkung einer Klausel nicht erst nach intensiver Beschäftigung oder aufgrund ergänzender Auskünfte deutlich wird.
c) Diesen Anforderungen genügen die AGB der Bekl. hier nicht. Die den Darlehensnehmer benachteiligende Wirkung der streitigen Klausel ergibt sich nicht unmittelbar aus ihrem Wortlaut und auch nicht aus dem Gesamtzusammenhang des Abs. I der Darlehensbedingungen: In dessen ersten Sätzen wird geregelt, wieviel an Zinsen und Tilgung der Darlehensnehmer jährlich zu leisten hat. Der ganze Abs. I legt - allein gelesen - die Annahme nahe, diese Jahresleistung sei jeweils am Jahresende zu erbringen, wie es für die Zinsen auch das Gesetz in § 608 BGB als Regel vorsieht. Geht man aber davon aus, so erschient die im letzten Satz des Absatzes festgelegte Zinsberechnung nach dem Kapitalsaldo am Schluß des Vorjahres nur als selbstverständliche Konsequenz der vorgesehenen Jahresleistung.
Erst in Abs. III der Darlehensbedingungen wird dann festgelegt, daß die "Jahresleistung" nicht jeweils am Jahresende, sondern schon im Laufe des Jahres in vierteljährlichen Teilbeträgen zu entrichten ist. Damit erhält dieser Absatz selbst eine Regelung, die zuungunsten des Kunden von § 608 BGB abweicht. Diese Abweichung ist für den Kunden klar erkennbar und auch sachlich nicht zu beanstanden. Durch Abs. III erhält aber zugleich auch noch der letzte Satz des Abs. I eine preiserhöhende Wirkung. Diese zusätzliche Benachteiligung des Kunden ergibt sich erst aus dem Ineinandergreifen der beiden Regelungen. Die Aufgabe, diese Konsequenz durch Zusammenschau zu erkennen, überfordert den Durchschnittskunden. Seine Vorstellung wird - einer ungeschriebenen Regel des Darlehensrechts entsprechend (vgl. oben zu II 4 a) - von dem Grundsatz geprägt, daß bereits zurückgezahlte Darlehensbeträge bei der Zinsberechnung nicht mehr berücksichtigt werden. Wenn die Bekl. durch AGB hiervon abweichen wollte, war sie nach Treu und Glauben verpflichtet, dem Kunden den ihn belastenden Zusammenhang zwischen dem letzten Satz des Abs. I und Abs. III deutlicher zu machen statt ihn zu verschleiern.
Diese Verpflichtung zu erfüllen, hätte der Bekl. keine unüberwindlichen Schwierigkeiten bereitet: Möglicherweise hätte bereits eine Einarbeitung der Regelung des Abs. III in den Abs. I die für den Kunden nachteilige Bedeutung der vorgesehenen Zinsberechnung nach dem Vorjahreskapitalsaldo durchschaubar machen können; hierfür geeignete Formulierungen zu suchen und vorzuschlagen, ist nicht Aufgabe des Senats (vgl. Senat, BGHZ 83, 301 (309) = NJW 1982, 1694
= LM § 242 (Cd) BGB Nr. 250a). Auf jeden fall hätte aber die zusätzliche Angabe des Effektivzinses, wie sie inzwischen die neue PreisangabenVO vom 14. 3. 1985 (BGBl I, 580) in § 4 zwingend vorschreibt, die von der Bekl. beabsichtigten Konsequenzen der streitigen Regelung auch für den Durchschnittskunden hinreichend deutlich erkennbar gemacht.
Zu Unrecht beruft sich die Bekl. darauf, der Darlehensnehmer könne ihren AGB alles für seine Kalkulation Wichtige entnehmen, die Höhe der gleichbleibenden Jahresleistung und die vierteljährlichen Zahlungstermine seien eindeutig angegeben. Für den Darlehensnehmer sind nicht nur diese beiden Daten von Bedeutung. Er muß auch wissen, wie lange er bei gleichbleibendem Zinssatz bis zur vollständigen Tilgung Zahlungen in der angegebenen Höhe leisten muß bzw. wie hoch aufgrund dieser Zahlungen noch die Restschuldsumme ist, wenn der Darlehensvertrag - wie hier in Abs. IV der Darlehensbedingungen - deren Fälligkeit nach bestimmter Zeit, vor vollständiger Tilgung vorsieht. Nur wenn der Kunde darüber Klarheit gewinnt oder wenigstens den sich aus dem Zusammenspiel der Darlehenskonditionen ergebenden effektiven Jahreszins kennt, ist ihm ein Preisvergleich mit den Angeboten anderer Banken möglich. Die Kl. haben von der Bekl. weder einen Tilgungsplan noch eine Effektivzinsberechnung erhalten; beides sah der vorformulierte Darlehensvertrag nicht vor.
Auf § 20 II HypothekenbankG kann sich die Bekl. in dem jetzt behandelten Zusammenhang nicht mit Erfolg berufen. Diese Vorschrift ist zwar bei der Prüfung zu berücksichtigen, ob und wie weit eine Hypothekenbank sich in ihren AGB überhaupt eine Zinsberechnung nach einem höheren als dem tatsächlichen Kapitalstand ausbedingen darf (vgl. oben zu II 5 a). Dem § 20 II HypothekenbankG läßt sich aber nichts zur Beantwortung der entscheidenden Frage entnehmen, ob die konkrete AGB-Regelung der Bekl. für den Vertragspartner hinreichend durchschaubar gestaltet worden ist. Das ist zu verneinen. Die Bekl. durfte daher für die drei streitigen Darlehensverträge von Anfang an Zinsen jeweils nur nach dem Kapitalstand berechnen, der sich bei sofortiger Verrechnung der vierteljährlichen Tilgungsleistungen ergab.
e) Der Kl. kann in vollem Umfang eine rückwirkende Neuberechnung fordern. Auch wenn die Bekl. bei der Kalkulation des vereinbarten Nominalzinses von einer Wirksamkeit der streitigen AGB-Regelung ausgegangen ist, wird ihr Vertrauen darauf nicht geschützt. Der Verwender, nicht sein Vertragspartner trägt das Risiko der von Anfang an bestehenden Unwirksamkeit, auch bei Klauseln, die zunächst geraume Zeit unbeanstandet geblieben sind und deren Unwirksamkeit schließlich erst nach längerer Prozeßdauer gerichtlich festgestellt wird. Daran ändert auch eine frühere Überprüfung und Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde nichts (vgl. Ulmer, in: Ulmer-Brandner-Hensen, AGB-Gesetz, 5. Aufl., § 3 Rdnr. 8; BGH, NJW 1985, 971).
6. Zur Klarstellung weist der Senat auf folgendes hin:
a) Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind Darlehensverträge aus der Zeit nach Inkrafttreten des AGB-Gesetzes (1. 4. 1977). Auf früher abgeschlossene Darlehensverträge ist dieses Gesetz nach § 28 I AGB-Gesetz nicht anwendbar. Zwar stellt § 9 AGB-Gesetz vielfach nur eine Kodifizierung vorher bereits entwickelter und an § 242 BGB orientierter Rechtsgrundsätze dar (Senat, BGHZ 97, 212 (214) = NJW 1986, 1803 = LM § 315 BGB Nr. 38). Auch die Grundsätze, die hier zur Mißbilligung der streitigen AGB-Klausel führen, wurzeln letztlich bereits in § 242 BGB. Ihr entscheidendes Gewicht haben sie aber erst durch das AGB-Gesetz erhalten. Sein Inkrafttreten fiel zeitlich in etwa mit dem Abschluß einer Entwicklung zusammen, die dem § 20 II HypothekenbankG seine rechtspolitische Rechtfertigung entzog: Die buchhalterischen Schwierigkeiten einer taggenauen Zinsberechnung entfielen, nachdem spätestens Mitte der 70er Jahre von allen Banken hierfür EDV-Anlagen eingesetzt wurden oder eingesetzt werden konnten (Köndgen, NJW 1987, 165; Kolhosser, ZIP 1986, 1439). Wenn eine Hypothekenbank trotzdem in ihren AGB weiter den Gestaltungsfreiraum des § 20 II HypothekenbankG ausnutzen wollte, war sie in verstärktem Maße gehalten, ihren - rechtsunkundigen - Kunden die belastenden Konsequenzen entsprechender Zinsberechnungsklauseln eindeutig klarzumachen. Das Inkrafttreten des AGB-Gesetzes hätte Veranlassung zu einer entsprechenden Neufassung der AGB sein müssen.
b) Eine Stellungnahme zu der Frage, ob sich die Bank gegenüber Ansprüchen des Darlehensnehmers, die sich aus der gebotenen Zinsneuberechnung ergeben, auf die Verjährung nach § 197 BGB berufen kann (vgl. Canaris, NJW 1987, 616, 617), erscheint dem Senat hier nicht geboten. Die Feststellungsklage beschränkt sich auf die Berechnung der Zinsen und ergreift nicht die sich daraus ergebenden Konsequenzen. Im übrigen hat die Bekl. sich, bevor die Kl. die von ihr geforderte Restschuldsumme während des Berufungsverfahrens zahlten, für den Fall einer rechtskräftigen Entscheidung zugunsten der Kl. uneingeschränkt bereit erklärt, den sich aus der Neuberechnung ergebenden Unterschiedsbetrag zurückzuerstatten.
N.
Vertragsschluss:00/00/0000
Language(s):de/german
Data input:IFF : Institut Für Finanzdienstleistungen
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    Created: 03/03/96. Last changed: 03/03/96.
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