Am 10. Juni 1994 ist ein Gesetz zur Änderung wesentlicher
Bestimmungen des französischen Insolvenzrechts in KRaft getreten,
das auf sämtliche Verfahren von Unternehmenssanierungen Anwendung
findet, die seit dem 1. Oktober 1994 eröffnet wurden. Das Gesetz
und die dazu ergangene Durchführungsverordnung (Dekret vom 21.
Oktober 1994) bringen zum Teil erhebliche Verbesserungen der
Gläubigerstellung im Insolvenzverfahren mit sich und erleichtern
vor allem die Durchsetzung besonders gesicherter Forderungen. Die
Neuregelungen können auch für deutsche Exporteure und deren
Finanzierungsinstitute von großem Interesse sein.
I. Grundgedanken des französischen Sanierungsverfahrens
Immer wieder stoßen Erklärungsversuche gegenüber deutschen
Unternehmen und Banken auf Schwierigkeiten, wenn es um die
Vermittlung der französischen Einstellung zu Unternehmenskrisen und
Insolvenzen geht. Nicht erst seit den letzten gesamtwirtschaftlichen
Entwicklungen ist das Denken vollständig von der Absicht des
Schutzes des überschuldeten Unternehmens geprägt; Ziel ist stets
die Erhaltung der Arbeitsplätze um jeden Preis. Diese soziale
Geisteshaltung spiegelt sich in den Rechtsvorschriften und in der
Verfahrenspraxis deutlich wider. Die in der Insolvenz beteiligten
Verfahrensbevollmächtigten sind mit allen Mitteln bemüht, die Aktiva
des Unternehmens beisammenzuhalten, und die Befriedigung der
Gläubiger vollzieht sich in der Regel nur nach zähem Ringen.
Diese Grundsätze waren schon in dem Verfahren angelegt, wie es sich
seit der ersten großen Reform durch das Gesetz vom 13. Juli 1967
und der Anordnung vom 23. September 1967 darstellte. Während dieses
Verfahren aber in seiner Bedeutung auf Ausnahmefälle begrenzt blieb,
fand der nächste große Reformschritt breiten Anklang in der Praxis.
Das französische Insolvenzrecht unterscheidet seit dem grundlegenden
Reform-GEsetz Nr. 85-98 vom 25. JAnuar 1985 nicht mehr zwischen
Vergleich und Konkurs; an die Stelle der bis dahin bekannten
Verfahrensformen der vorläufigen Einstellung von
Verfolgungsmaßnahmen, der gerichtlichen Zwangsverwaltung und der
Vermögensliquidation ist damit das einheitliche Verfahren der
Sanierung ("redressement judiciaire") getreten.
Nicht zufällig in dieser Reiehenfolge nennt Art. 1 Abs. 1 des
Insolvenzgesetzes als Ziele dieses Verfahrens die Rettung des
Unternehmens, die Aufrechterhaltung der Geschäftstätigkeit, die
Sicherung der Arbeitsplätze, und erst dann die Bereinigung der
Schulden, wobei Bereinigung ("apurement") im wesentlichen auf die
Beseitigung der Verbindlichkeiten aus der Bilanz, nicht auf deren
tatsächliche Begleichung abzielt. Im Vordergrund steht also nicht
die Befriedigung der Gläubiger, sondern die Bestandssicherung
zugunsten des Schuldners und seiner Arbeitnehmer.
...
V. Würdigung
Die Neuregelung des französischen Insolvenzrechts hat die Stellung
der Gläubiger in zahlreichen Punkten erheblich verbessert und ist
an vielen Stellen zu den Lösungen des früheren Insolvenzgesetzes
1967 zurückgekehrt; die einseitige Benachteiligung der Gläubiger
im Verfahrensablauf seit 1985 wird erheblich gemildert.
Insbesondere die geschaffene Möglichkeit,
Eigentumsvorbehaltsklauseln durch eine Veröffentlichung des
Kaufvertrages in einem besonderen Register zu sichern, gibt
deutschen Exporteuren interessante Alternativen zu bislang üblichen
Ausweichkonstruktionen an die Hand, deren praktische Entwicklung
weiter zu verfolgen sein wird. Dennoch hat der Gesetzgeber manche
wichtige Frage offengelassen und teilweise neue Unklarheiten
geschaffen, die Stoff für reiche Auseinandersetzung unter den
Verfahrensbeteiligten liefern werden. Auch für die Zukunft gilt,
daß die Insolvenz des französischen Abnehmers größere Risiken birgt,
als dies bei reinen Inlandsgeschäften schon der Fall ist. Besondere
Wachsamkeit ist nach wie vor angezeigt. |