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ID:15217
Type:L/documents; literature
Area:GCP/Verbraucherschutz allgemein z.Teil nicht FDL(jur.)
Keywords:Vertragsklauseln; Inhaltskontrolle; AGB; Allgemeine Geschäftsbedingungen; Rechtsschutz
Countries/Regions:04EUDE/Germany
Author(s):Becker, Michael
Title:Vertragsfreiheit, Vertragsgerechtigkeit und Inhaltskontrolle
Source:Wertpapier-Mitteilungen : WM ; Fachorgan für das gesamte Wertpapierwesen. - Frankfurt, M. : Herausgebergemeinschaft Wertpapiermitteilungen Keppler, Lehmann   Related publications
Publishing house:Keppler, Lehmann
Publishing Place:Frankfurt, M. [u.a.]
ISSN:0342-6971
Remark:Gebundene Ausgabe / Zeitschriftenformat im Institut
Extent:709
Publishing date:04/17/1999
A. Problemstellung

Mit der richterlichen Inhaltskontrolle hat ein neuer Rechtsbehelf zur Beseitigung unerwünschter vertraglicher Bindungen Eingang in das Bürgerliche Recht gefunden. Positivrechtlich normiert ist das Institut in den §§ 9-11 AGBG, die 1976 eine gewohnheitsrechtlich verfestigte Praxis kodifiziert haben. Die Inhaltskontrolle war die Reaktion der Rechtsprechung auf die besondere Situation des standardisierten Vertragsschlusses unter Verwendung Allgemeiner Geschäftsbedingungen. Die Geltung dieser Grundsätze für den Individualvertrag impliziert, daß ein Funktionsdefizit an privatautonomer Gestaltung vorliegt und daß eine Übereinstimmung der Ursachen dafür mit dem von § 1 AGBG vorausgesetzten Lebenssachverhalt besteht. Das ist anzunehmen, wenn die Vertrags-freiheit bei materieller Betrachtung zu keinem Ergebnis führt, das einen Zustand der Vertrags- und Tauschgerechtigkeit herstellt. An die Vornahme einer Inhaltskontrolle bei ausgehandelten Verträgen knüpft sich naturgemäß die Frage nach den Überprüfungskriterien. Auszugehen ist von den §§ 134 und 138 BGB, doch befinden sich die Prüfungsmaßstäbe in einem Prozeß stetiger Verfeinerung. In diesem System durchläuft ein Vertrag folgende Prüfungsstufen: Die thematisch einschlägigste Vorschrift für eine grobe, von einer Partei herbeigeführte oder ausgenutzte Störung der Tauschäquivalenz ist der Wucher gemäß § 138 Abs. 2. Andernfalls mag ein Vertrag nach § 138 Abs. 1 nichtig sein'. Noch darunter ist an eine allgemeine Inhaltskontrolle am Prüfstein des § 242 BGB zu denken.
Die Etablierung einer richterlichen Inhaltskontrolle über den Bereich der AGB-Prüfung hinaus und jenseits der Bereichsausnahmen in §§ 8, 23, 24 AGBG kommt in ihrer Bedeutung der Anerkennung der Lehre vom Wegfall der Geschäftsgrundlage in den zwanziger Jahren gleich. Auch dieses Institut ist seinerzeit zunächst ähnlich kritisch aufgenommen worden., Es ist ebenfalls auf Bedenken ganz grundsätzlicher Natur gestoßen im Hinblick auf die Unverbrüchlichkeit der Privatautonomie und besonders den Grundsatz des pacta sunt servanda. Die beschwerliche Bahnbrechung der Lehre von der Geschäftsgrundlage erfolgte unter dem Druck der äußeren Verhältnisse, nämlich der galoppierenden Inflation nach dem Ersten Weltkrieg. Die Implantierung der Geschäftsgrundlage haben das Privatrecht und die Rechtsprechung des Reichsgerichts damals aus eigener Kraft geleistet, freilich war der Boden durch die Pandektenwissenschaft schon im 19. Jahrhundert bereitet durch Überlegungen, denen sich das BGB allerdings noch verschlossen hatte. Nicht verschwiegen werden soll, daß die Lehre vom Wegfall der Geschäftsgrundlage ebenfalls einen konkreten Verfassungsbezug aufwies, Im Grunde ging es bei der Geschäftsgrundlage darum, dem Vertrag durch einen Eingriff in das vereinbarte Gefüge von Leistung und Gegenleistung seine Funktion als Mittel eines fairen Leistungsaustauschs und zur Gewährleistung von Planungssicherheit zu erhalten. Damals war hierfür letztlich die Einsicht in die Funktion des Vertrages ausschlaggebend. Die Anpassung von Verträgen an veränderte Umstände ist kein Eingriff in die Vertragsfreiheit, sondern verwirklicht diese.

Bei der Anerkennung einer richterlichen Inhaltskontrolle jenseits des AGB-Gesetzes haben die privatrechtlichen Begründungsansätze alleine nicht ausgereicht. Erforderlich war die Schützenhilfe des Verfassungsrechts, namentlich der Hinweis auf das Rechts und das Sozialstaatsprinzip' und die Besinnung darauf, daß die Vertragsfreiheit wie ihre Grenzen an der Verfassung teilhaben. Dabei ist aber einem Mißverständnis vorzubauen: Die Rechtsgrundlagen sind nicht aus der Verfassung zu gewinnen. Die Privatrechtsordnung verfügt über ihr eigenes Wertesystem, das zudem älter ist als die grundrechtlichen Gewährleistungen. Gleichwohl ist zu beachten, daß sich in den Grundrechten eine objektive Wertordnung manifestiert, die als verfassungsrechtliche Wertentscheidung für alle Bereiche der Rechtsordnung gilt und namentlich die Zivilgerichte nach Art. 1 Abs. 3 GG bindet.
Language(s):de/german
Data input:IFF : Institut Für Finanzdienstleistungen
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    Created: 09/07/99. Last changed: 09/07/99.
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