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ID:14543
Type:L/documents; literature
Area:KA/Kredit, allgemein
Keywords:Privatautonomie; AGB-Gesetz; Schutzpflicht
Countries/Regions:04EUDE/Germany
Author(s):Habersack, Mathias
Title:Vertragsfreiheit und Drittinteressen
Source:Wertpapier-Mitteilungen : WM ; Fachorgan für das gesamte Wertpapierwesen. - Frankfurt, M. : Herausgebergemeinschaft Wertpapiermitteilungen Keppler, Lehmann   Related publications
Publishing house:Keppler, Lehmann
Publishing Place:Frankfurt, M. [u.a.]
ISSN:0342-6971
Remark:Gebundene Ausgabe / Zeitschriftenformat im Institut
Extent:483-484
Publishing date:03/19/1994
1. Die von Habersack vorgelegte Dissertation widmet sich einem bisher
     - soweit ersichtlich - vernachlässigten Thema: der Frage, ob sich
     ein allgemeines System zum Schutz beeinträchtigter Drittinteressen
     entwickeln läßt und wie im Anschluß daran eine Inhaltskontrolle
     "zweifelhafter" Verträge vorzunehmen wäre. Anlaß der Untersuchung
     bildet die nach herrschender Meinung unbeachtliche Berücksichtigung
     von Drittinteressen im Rahmen der §§ 9-11 AGBG, insbesondere des
     § 9 Abs. 1 AGBG. Der unter Verwendung von AGB geschlossene Vertrag
     dient dem Autor als Musterfall zur Entwicklung seines Konzepts einer
     Beschränkung der Vertragsfreiheit bei beeinträchtigten
     Drittinteressen. Im Grunde steht damit die Antwort auf die
     Ausgangsfrage des Autors schon fest, daß nämlich entgegen der
     einhelligen Auffassung Anliegen Dritter im Rahmen des AGBG, von allem
     § 9 Abs. 1 AGBG zu berücksichtigen sind. Dem Leser schuldet
     er nurmehr den Beweis für diese These. Aus Sicht des Autors erscheint
     sein Vorgehen aber konsequent, da sich andernfalls seine Untersuchung
     teilweise erübrigen würde (vgl. § 1 III.).
     Zu begrüßen ist die eingangs herhausgestellte Unterscheidung zwischen
     den Außen- und Innenschranken der Privatautonomie anhand derer der
     Autor die Entwicklung des jeweiligen Parameters zur Vornahme der
     Inhaltskontrolle ausrichten wird. Während erstere die
     Vertragsfreiheit beider Seiten beschränken und dabei ein
     Machtgleichgewicht voraussetzen, greifen letztere im Fall der von
     seiten einer Partei gestörten Vertragsparität ein. Es sollen sowohl
     Fälle der Beeinträchtigung der Rechtslage Dritter durch belastende
     Reflexwirkungen (sog. Lastwirkungen) als auch die Verletzung bloßer
     Affektions- oder Vermögensinteressen erfaßt werden. Demgegenüber
     kann das Problem des Vertrags zu Lasten Dritter vernachlässigt werden
     (vgl. § 2).
     2. Von diesem Ansatz her geht die Untersuchung über die bislang nur
     im Rahmen des § 138 Abs. 1 BGB behandelte Einschränkung der
     Vertragsfreiheit durch betroffene Drittinteressen hinaus. Als
     Grundlage eines allgemeinen Drittschutzes präsentiert der Autor die
     Lehre vom Institutsmißbrauch (siehe dazu § 4): Neben der Gewährung
     subjektiver Rechte konstituiert sich die Rechtsordnung durch
     Anerkennung objektiv-rechtlicher Institute. Unabhängig vom
     persönlichen Verhalten der Vertragsparteien versagt sie einem
     objektivem Fehlgebrauch des Instituts "Vertrag" die Anerkennung,
     soweit der "Mißbrauch" reicht. Klarheit über das Vorliegen eines
     "funktionswidrigen Gebrauchs" verschafft ein Blick auf die
     verschiedenen Vertragsfunktionen. Bei der Auseinandersetzung mit
     den unterschiedlichen Theorien folgt Habersack der Vertragslehre
     Schmidt-Rimplers, in dessen Vorstellung des Vertrages als Mittel
     zur Herstellung einer "richtigen" Regelung sowohl der Aspekt der
     Selbstbestimmung wie der Gerechtigkeit einfließt. Ein solches
     Vertändnis der Schmidt-Rimplerschen Vertragslehre verkennt jedoch
     ihren ursprünglichen Bedeutungsgehalt. Bedauerlicherweise muß der
     Autor deshalb ebenso zu denjenigen gezählt werden, die anhand einer
     "Umdeutung" die Schmidt-Rimplersche Dogmatik in die heutige Zeit
     hinüberretten wollten.
     Bei der Anwendung auf den Fall eines zwischen den Vertragspartnern
     bestehenden Kräftegleichgewichts erweist sich die fehlende oder nur
     eingeschränkte Polarität der Interessen der Vertragspartner als das
     Kriterium zur Vornahme der Inhaltskontrolle des Vertrages. Mit
     andereren Worten: Ihm fehlt insoweit die Richtigkeitsgewähr, so daß
     die Rechtsordnung kontrollierend einschreiten darf. Richtschnur dafür
     bildet eine Interessenabwägung nach dem Vorbild des
     Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, da nur so die Anliegen der
     Vertragspartner mit den betroffenen Drittinteressen zu einem
     möglichst effektiven Ausgleich gebracht werden können. Die
     Tragfähigkeit einer derartigen Inhaltskontrolle weist der Autor
     sowohl für die eingangs genannten Lastwirkungen wie für sonstige
     Beeinträchtiungen von Drittpositionen nach (vgl. dazu §§ 6-9 der
     Abhandlung).
     Die Variante der gestörten Vertragsparität erläutert der Autor, wie
     bereits angedeutet, am Beispiel der Inhaltskontrolle von AGB (vgl.
     §§ 10-16). Der Nachweis seiner Ausgangsthese, daß entgegen der
     einhelligen Auffassung von Rechtssprechung und Schrifttum
     Drittinteressen im Rahmen des § 9 Abs. 1 AGBG Berücksichtigung
     verdienen, soll mittels seines Konzepts von Institutsmißbrauch und
     vertraglicher Richtigkeitsgewähr gelingen. Dazu muß er sich zunächst
     um die Klärung des gesetzlichen Schutzzwecks bemühen. Auch wenn er
     hier der herrschendne Meinung folgt (Theorie des Kundenschutzes vor
     einseitig in Anspruch genommener Vertragsgestaltungsfreiheit), kommt
     er nicht umhin, der gegenteiligen Position des Rezensenten implizit
     Recht geben zu müssen. Der Auffassung von Rechtsprechung und Lehre
     zur Nichtberücksichtigung von Drittinteressen zu ausgewählten
     AGB-Problemen stellt er bürgerlich-rechtliche,
     gesellschaftsrechtliche und kartellrechtiche Fallkonstellationen
     gegenüber, in denen Drittschutz anerkannt wird. Daraus zieht der
     Autor den Schluß, daß ein funktionierender Vertragsmechanismus
     drittschützende Wirkung entfaltet. Darin sieht er das
     Aufgreifkriterium für die im Fall typischerweise gestörter
     Vertragsparität vorzunehmende Inhaltskontrolle. Bei der
     Interessenabwägung sind dann auf seiten der unterlegenen
     Vertragspartei die betroffenen Drittanliegen miteinzubeziehen,
     unabhängig davon, ob die eine Seite rechtlich dazu verpflichtet war.
     ein solch unmittelbarer Drittschutz ist nach Meinung des Autors mit
     dem Regelungsziel des AGBG vereinbar so daß hier § 9 Abs. 1 AGBG
     analog Anwendung finden darf. Abschließend führt er die Konsequenzen
     seines Ergebnisses anhand des von ihm ausgewählten AGB-Materials
     vor. Der propagierte Drittschutz führt in der Mehrzahl der Fälle
     zu Abweichungen von der bisherigen Praxis zur Inhaltskontrolle von
     AGB.
     3. Dieser Punkt leitet über zur Abschlußbewertung der vorliegenden
     Arbeit. Bei aller Konsequenz in der Gedankenführung stimmt doch die
     damit einhergehende Zunahme des Drittschutzes bedenklich. Angesichts
     der massenhaften Verwendung von AGB in der Praxis müßte in jedem Fall
     ein Versagen des Vertragsmechanismus zu Lasten Drittbetroffener
     festgestellt werden, dem durch eine Inhaltskontrolle entgegegewirkt
     werden sollte. Denn nur so ließe sich die "Richtigkeitsgewähr" des
     Vertrages wiederherstellen. Das bedingt die - aus Sicht des
     Rezensenten verfehlte - Argumentation mit der Schmidt-Rimplerschen
     Vertragslehre. Wie kann entgegen den Beteuerungen des Autors (vgl.
     § 1 V) dann noch der Grundsatz der Relativität des
     Schuldverhältnisses gewahrt werden? Sie dient als Schutz der
     rechtsgeschäftlichen Selbstbestimmung im Vertragsabschluß, was der
     Autor selbst anerkennen muß (so auf S. 25 geschehen). Im Gefolge
     seines Kontrollmodells liefe man jedoch Gefahr, dieses Prinzip in
     sein Gegenteil zu verkehren, wenn aufgrund der These, daß "potentiell
     jedes Rechtsgeschäft die Interessen Unbeteiligter beeinträchtigen
     kann" (S. 171), jederzeit Drittschutz geboten wäre. Größeres
     Interesse käme dann der Frage zu, wann die Parteien ausnahmsweise
     ohne Rücksicht auf die Lage Dritter wirksam Verträge abschließen
     könnten. Diese Einschränkung der Vertragsfreiheit läßt sich
     jedenfalls nicht mit der vom Autor angedeuteten (unmittelbaren)
     Drittwirkung von Grundrechten (im vorliegenden Fall des Art. 2 Abs.
     2 Abs. 1 GG) rechtfertigen (S. 171). So darf eine verfassungsgemäße
     Ausgestaltung des Privatrechts nicht verstanden werden. Zur
     Konfliktbewältigung stehen hier die zivilrechtlichen Generalklauseln
     wie die vom Autor untersuchten §§ 138 Abs. 1 BGB oder 9 Abs. 1 AGBG
     zur Verfügung. Im Rahmen der erstgenannten Vorschrift gewähren die
     Gerichte in ständiger Rechtsprechung schon entsprechenden
     Drittschutz, auch wenn dies nur fallgruppenartig erfolgt. Bei § 9
     Abs. 1 AGBG genügt die praktizierte mittelbare Berücksichtigung der
     Anliegen von Gläubigern des Kunden, da andernfalls die "Politik des
     Gesetzes" verfehlt würde. Demgegenüber präsentiert die vorliegende
     Untersuchung ein allgemeines System zum Schutz beeinträchtigter
     Drittanliegen. Diesen Vorteil hat der Leser mit dem - aufgrund des
     verfehlten Vertragsansatzes - festzustellenden Nachteil der
     tendenziellen Überbewertung des Drittschutzes abzuwägen.
     Fazit: Aus Sicht des Rezensenten mindert dies den Gesamteindruck
     des Buches nicht unerheblich. Fraglich bleibt demnach, ob das Modell
     Habersacks zu Fortschritten im Drittschutz bei Rechtsprechung und
     Lehre führen wird.
Language(s):de/german
Data input:IFF : Institut Für Finanzdienstleistungen
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    Created: 07/10/94. Last changed: 07/10/94.
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