Am 1. April 1993 ist die "Verordnung (EWG) Nr. 3932/92 der
Kommission vom 21. Dezember 1992 über die Anwendung von Art. 85
Abs. 3 EWG-Vertrag auf bestimmte Gruppen von Vereinbarungen,
Beschlüssen und aufeinander abgestimmten Verhaltungsweisen im
Bereich der Versicherungswirtschaft" (im folgenden
Gruppenfreistellungsverordnung) in Kraft getreten. Rat und
Kommission haben damit die Notwendigkeit bestätigt, das
Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft differenziert auf die
Kooperationsformen der Versicherungswirtschaft anzuwenden.
Zugleich gewinnt das europäische Versicherungskartellrecht in
einer Zeit, in der die Versicherungsrechte gelockert werden,
deutlich an Form und Schärfe. Ein Ausnahmebereich ist nicht
geschaffen worden. Die Deregulierung des Aufsichtsrechts wird
von einer Verschärfung des Wettbewerbsrechts begleitet. Die
Abhandlung zeigt das Umfeld der Gruppenfreistellungsverordnung
auf und beschreibt deren Anwendungsbereich.
...
9. Wertung
Das Instrument der Gruppenfreistellung, vom ehemaligen EG-
Wettbewerbskommissar Peter Sutherland als "eine der großen
Innovationen des Gemeinschaftsrechts" bezeichnet, wurde vor
allem entwickelt, um der für Freistellungen allein zuständigen
EG-Kommission das "Massenproblem" zu nehmen. Mißt man die
Gruppenfreistellungsverordnung an diesem Ziel, so wird sie nicht
ganz gelungen sein. Jedenfalls bis zur Schaffung eines (echten)
Binnenmarktes im Sinne ineinander verwobener Märkte sind die
Marktanteilsschwellen für Mit- und Mit-
Rückversicherungsgemeinschaften derart niedrig gewählt, daß kaum
eine der bestehenden Gemeinschaften diese Hürde nehmen wird. Das
Mengenproblem ist in diesem Bereich nicht erledigt, das Ziel
mithin verfehlt. Anders in den Bereichen Prämienberechnung,
Musterversicherungsbedingungen und Sicherheitsvorkehrungen. Hier
sit vorherzusagen, daß sich die Kooperationen der Versicherer
wie auch bei anderen Gruppenfreistellungsverordnungen den
Vorgaben der Gruppenfreistellungsverordnung weitgehend anpassen
werden, ohne hierzu rechtlich verpflichtet zu sein. Eine
wettbewerbspolitisch im übrigen nicht befriedigende und im
Grunde ein erneut standardisierender Ansatz!
Weiteres Ziel der Gruppenfreistellungsverordnung ist es,
Rechtssicherheit zu schaffen. Im Bereich der
Versicherungsgemeinschaften, der Sicherheitsvorkehrungen und
auch der Prämienberechnung ist dies weitgehend gelungen. Für den
Bereich der Musterbedingungen wird das Erreichen dieses Ziels
aber fraglich. Zu weit sind die Auslegungsspielräume des Art. 7.
Und: Wer will schon verbindlich entscheiden, ob eine Klausel
nicht durch ein Gericht als mißbräuchlich angesehen wird und
damit (Art. 17 2. Tiret Gruppenfreistellungsverordnung) die
Freistellung in Frage stellt.
Insgesamt gesehen ist die Verabschiedung der
Gruppenfreistellungsverordnung für die europäische
Versicherungswirtschaft zu begrüßen. Sie ist alles in allem
geeignet, einheitliche wettbewerbliche Tahmenbedingungen zu
schaffen. Sie stellt den Grundstock für ein sich ausbildendes
europäisches Versicherungskartellrecht dar. Zu wünschen ist, daß
sie in allen Mitgliedstaaten gleichermaßen zur Anwendung
gelangen wird. |