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EG-Richtlinien sind zwangsläufig Kompromißlösungen, allein schon
wegen der notwendigen Berücksichtigung der unterschiedlichen,
meist historisch bedingten Ausgangssituation in den
Mitgliedsländern. Das gilt auch für die vorliegende Richtlinie,
bei der zudem die Kompromißsuche durch erhebliche
Meinungsdivergenzen über das anzustrebende Regulierungsniveau
erschwert wurde.
Zieht man dies in Betracht, wird man die Feststellung vertreten
können, daß die Bestimmungen der Richtlinie im großen und ganzen
sachgerecht sind und als angemessen und ausgewogen gelten
können. Im Rahmen dieses Beitrages kann dieses positive Urteil
aus Platzgründen nicht im einzelnen belegt werden. Es sei
deshalb nur auf drei Bestimmungen der Richtlinie hingewiesen,
aus denen beispielhaft erhellt, warum speziell aus deutscher
Sicht Anlaß zu Zufriedenheit besteht:
- Zulassungsfreie Vermittlungstätigkeit
(Art. 2 Abs. 2 g)
Firmen, die weder Geld noch Wertpapiere ihrer Kunden halten
können und die Kundenaufträge nur an zugelassenen
Wertpapierfirmen weiterleiten können, sind von den Bestimmungen
der Richtlinie freigestellt. Damit ist die in der
Bundesregierung lange Zeit gehegte Befürchtung gegenstandslos,
sie könnte gezwungen sein, für die bisher gemäß § 34 c GewO
tätigen Vermittler (Makler) - ihre Zahl dürfte in die Tausende
gehen - einen enormen Behördenapparat für Zulassung und laufende
Aufsicht zu schaffen.
- Börsenzugang für Kreditinstitute (Art. 15 Abs. 3)
In mehreren EG-Ländern ist derzeit Kreditinstituten der Zugang
zu den Börsen nur über spezialisierte Tochterunternehmen
gestattet, nicht jedoch über Zweigniederlassungen. Die deutschen
Banken haben diese Zugangsbeschränkung immer als eine
Diskriminierung empfunden. Nun wurde in der Richtlinie
festgelegt, daß die derzeit praktizierte Beschränkung des
Börsenzugangs mit Ablauf einer Übergangszeit aufgehoben werden
muß.
- Meldepflicht für Wertpapiergeschäfte (Art. 20)
In den Richtlinienberatungen nahm die Frage breiten Raum ein,
welchen Umfang die grundsätzlich für notwendig erachtete Pflicht
zur Meldung von Wertpapiergeschäften an die Aufsichtsbehörden
haben müßte. Einige Länder plädierten nachträglich für eine
Erfassung und Meldung jedes einzelnen Geschäfts. Auf deutscher
Seite begegnete dieses Verlangen erheblicher Reserve. Die jetzt
vereinbarte Lösung hält die Wertpapierfirmen von einer
übermäßigen Belastung frei: erstens können die Meldepflichten
auch durch die zuständigen Stellen der Börsen erfüllt werden und
zweitens dürfen für Schuldverschreibungen die Geschäfte je Titel
zusammengefaßt werden.
Das positive Urteil über die Richtlinie schließt natürlich nicht
aus, daß sich bei ihrer Umsetzung in das deutsche Recht durchaus
noch Schwierigkeiten ergeben können. Erfahrungsgemäß entstehen
Probleme schon dadurch, daß wegen der hohen
Bestimmtheitsanforderungen in der deutschen Gesetzgebung Rechte
und Pflichten präziser umschrieben werden müssen, als es in dem
Richtlinien-Text geschehen ist. Häufig bedarf es auch einer
näheren Konkretisierung der Sachverhalte. Welche Aufgaben sich
in dieser Hinsicht stellen, wird schon bald klarer werden, denn
die Bundesregierung will an die Umsetzung der Richtlinie zügig
herangehen. Einen ersten Schritt beabsichtigt sie - allerdings
unter Ausklammerung der Wohlverhaltensregeln - im Zweiten
Finanzmarktförderungsgesetz, für das ein Referentenentwurf seit
dem November dieses Jahres vorliegt. |